Ufos und rechte Netzwerke

Die inoffizielle Allianz zwischen Kreml und der europäischen Rechten hat eine lange Vorgeschichte. Eine wichtige Rolle spielte ein österreichischer Nazi und Esoteriker, der sich die Antarktis als Fluchtort des 3. Reichs ausmalte – Ufos inklusive.

Anfang der 1960er Jahre findet in einem Zimmer im Hotel Bellevue in Wien-Alsergrund ein Geheimtreffen statt. Anwesend sind einige der führenden Vertreter der europäischen Rechten: Der Belgier Jean Thiriart und Colin Jordan, Gründer des britischen National Socialist Movement. Aber auch einige heimische „Größen“ sind gekommen: Konrad Windisch und Johannes Falk. Letzterer wird vier Jahre später gemeinsam mit einem Gesinnungsgenossen eine Bombe vor dem „Alitalia“-Büro am Kärntnerring zünden – aus Protest gegen die „zahme“ Haltung gegenüber Italien im Südtirolkonflikt. Ob das auch schon im Bellevue besprochen wurde? Wahrscheinlich nicht: Wie Falk später der Staatspolizei zu Protokoll gibt, ging es darum, Namen und Adressen auszutauschen. Ein typisches Vernetzungstreffen jener Tage. Nicht umsonst rühmt sich Falk anschließend, mit dem Faschistenführer Oswald Mosley korrespondiert zu haben.

Deutlich wird hier die enge Kooperation zwischen Neofaschisten aus verschiedenen westlichen Ländern. Damals geschlossene Bande und vor allem die ideologische Unterfütterung wirken bis heute nach. 2014 bekundete der nunmehr wichtigste „Einflüsterer“ von US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, seine Wertschätzung für einen praktisch unbekannten italienischen Denker: Julius Evola, 1974 verstorben, war nicht nur ein Stichwortgeber für Mussolini, sondern auch der paneuropäischen Rechten. Als ultrareaktionärer „Traditionalist“ lehnte Evola den US-Kapitalismus genauso ab wie den Marxismus. Stattdessen plädierte er für ein starkes Europa, das anti-amerikanisch und anti-kommunistisch zugleich sein müsse.

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Julius Evola etwa 1920 (Quelle: Wikimedia Commons)

Zu den Schülern Evolas zählt bezeichnenderweise auch Aleksandar Dugin. Dem einflussreichen Kreml-Berater und Professor an der Staatlichen Universität Moskau schwebt ein „Eurasien“ von Dublin bis Wladiwostok unter russischer Führung vor: Christlich, weiß und wertkonservativ. Damit hat Dugin viele Anhänger unter Vertretern westlicher Rechtsparteien gefunden. Man will das „Joch“ amerikanischer Vorherrschaft abschütteln, was auch die allzu liberale Europäische Union miteinschließt. An die Stelle des früheren Antikommunismus ist prorussische Ausrichtung und Bewunderung für den „starken Mann“ Wladimir Putin getreten.

Um diese Gegenrevolution besser zu verstehen, muss man weiter in die Geschichte zurückgehen: Am 12. Mai 1951 trafen sich im schwedischen Malmö 60 Delegierte rechtsextremer und faschistischer Parteien. Sie bildeten die Europäische Sozialbewegung (ESB) mit Sektionen in der BRD, Schweden, Norwegen, Dänemark, Niederlande, Belgien, Frankreich und Österreich. Dieses rechte Europa-Projekt war anti-parlamentarisch, autoritär und völkisch ausgerichtet. Nicht umsonst begriffen sich viele Unterstützer in der Tradition jener Zehntausenden europäischen Freiwilligen, die während des 2. Weltkriegs für Nazideutschland gegen den Kommunismus gekämpft hatten.

In der Geschäftsführung der „Österreichischen Sozialen Bewegung“ befand sich eine schillernde Persönlichkeit: Wilhelm Landig, geboren 1909, war seit seiner Jugend begeisterter Nationalsozialist. Nach dem Putsch 1934 flüchtete Landig nach Deutschland, trat der SS bei und wurde Sachbearbeiter im Geheimdienst der Organisation, dem Sicherheitsdienst (SD). Über seine Kriegszeit ist wenig bekannt: 1942-1944 war Landig am Balkan stationiert, wurde schließlich in Belgrad verwundet und nach Wien zurückgeschickt. Nach Kriegsende saß Landig zwei Jahre Haft in einem britischen Internierungslager ab. Danach führte ihn sein Weg in verschiedene rechte Kleinparteien, wie die „Österreichische Sozialen Bewegung“.

Diese hielt im Sommer 1956 eine „Europa-Akademie“ in Saalfelden ab. Am Podium waren drei der vier führenden ESB-Repräsentanten: Der Franzose Maurice Bardeche, einer der ersten Holocaust-Leugner, der Deutsche Karl Heinz Priester, einstiger Propagandachef bei der Hitlerjugend und Waffen SS-Verbindungsoffizier sowie Per Engdahl, seit den 1920er Führer der Schwedischen Faschistischen Kampforganisation. „Die Bezeichnung ‚Europa-Akademie‘ dient zweifellos dazu, jene Eingeladenen zu täuschen, die an einer Veranstaltung der ‚Europäischen Sozialen Bewegung‘ wegen ihrer damals bereits bekannten Tendenzen niemals teilgenommen hätten“, analysierte die Staatspolizei.

Mehr oder weniger zufällig nahm der „auf der Durchreise“ befindliche Theodor Soucek teil: Der ehemalige Wehrmachtsoffizier hatte noch 1945 mit einer Untergrundgruppe inhaftierten NS-Tätern Fluchthilfe geleistet. 1956 legte Soucek dann mit „Mit Wir rufen Europa. Vereinigung des Abendlandes auf Sozial-Organischer Grundlage“ ein programmatisches Buch der Europa-Rechten vor. Darin skizzierte er ein völkisch-autoritäres Gebilde samt Regierung in Genf und einem fünf Jahre unabsetzbaren Präsidenten an der Spitze. Um dies in die Tat umzusetzen, gründete Soucek 1957 die „Sozialorganische Ordnungsbewegung Europas“ (SORBE) und dominierte für ein paar Jahre die Szene. Als auch die SORBE einen „Europa-Kongress“ abhielt, gab man sich im Innenministerium keinen Illusionen hin: Die Organisatoren seien „fanatische Nationalisten und Antidemokraten“, „die unter dem Deckmantel eines geeinten Europas ein neues Großdeutschland anstreben“.

Da die ESM und damit auch ihr österreichische Ableger verschwanden dagegen in der Versenkung. Landig suchte sich in der 1956 gegründeten „Demokratischen Nationalen Arbeiter-Partei“ (DNAP) ein neues Betätigungsfeld. Unter den vertretenen 12 „Kampfzielen“ befand sich gleich an erster Stelle die Schaffung einer „Europäischen Eidgenossenschaft freier gleichberechtigter Völker“, aber auch „wirksamer Schutz unserer Kultur, Sprache und Wirtschaft vor Überfremdung“. Auch der DNAP war kein langes Leben beschieden. 1959 löste man sich auf, um damit den Behörden zuvorzukommen. Landig war zu diesem Zeitpunkt Bundesobmann und rühmte die DNAP bei der letzten Versammlung als „äußerst korrekte, saubere und wirklich nationale Partei, wie sein Österreich einzig dasteht“. Die FPÖ dagegen führe nicht einmal das Wort „national“ in ihrem Namen.

Schon ab 1955 gab Landig als „Hersteller und Schriftleiter“ die „Europa-Korrespondenz“ heraus. Der Tenor der Postille war revisionistisch, antisemitisch und rassistisch. Zahlreiche Vertreter der Europa-Rechten lieferten Gastbeiträge. In einer der ersten Nummern entwarf Landig „Leitgedanken für eine Besinnung Europas“: Der Kontinent sei Beute des „westlichen Impero-Kapitalismus“ und des „östlichen Impero-Bolschewismus“ geworden. Beides seien Variationen ein- und desselben Systems, das „Totalitarismus“ ausübe. An dessen Stelle solle eine „neue Form des volklichen und europäischen Gemeinschaftslebens“ treten: „ Es gilt, den Genius des weißen Menschen Europa zu wecken“. Die „Europa-Korrespondenz“ erschien unregelmäßig bis 1993, als „Maschinenschaden“ Landigs Einmann-Redaktion lahmlegte.

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Titelblatt der Europa-Korrespondenz

Sein Konkurrent bei den Europa-Rechten, Soucek, hatte sich 1962 wegen hoher Schulden ins Ausland abgesetzt. Die Leerstelle nahm der eingangs erwähnte Jean Thiriart ein. Der Ex-Fallschirmjäger, Nazi-Kollaborateur und hauptberufliche Optiker agierte von seiner Brüsseler Wohnung aus, die auch 20 Katzen beherbergte. Zum Theorieschwulst trug Thiriart mit „Eine Weltmacht von 400 Millionen Menschen: Europa“ (1964) bei. Er imitierte auch die Bewegung „Junges Europa“ (JE), deren österreichischer Arm die „Legion Europa“ war. Angeführt von dem Rechtsextremisten Fred Borth propagierte man ein „Europäisches Manifest“, dessen Tenor frappant an heutige Publikationen von Europa-Rechten erinnert:

„Wir wollen ein IMPERIUM EUROPA; das heißt, die politische, wirtschaftliche und militärische Einheit des abendländischen Kontinents. […] Wir bekennen uns alle zur Tapferkeit, zur Ausdauer und Entschlossenheit, unser Wille heißt: EUROPA!“ Der Hauptslogan lautete: „Gegen Bolschewismus und Amerikanismus. Volksbewusst und heimattreu. Für ein neues und freies Europa.“

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Das Propaganda-Blatt von Thiriarts JE erschien auch in Österreich

Borth, den man wegen seiner Neigung schwarze Schaftstiefel zu tragen, den „gestiefelten Kater“ nannte, war eine zwielichtige Person: Schon damals wurde in der Szene vermutet, Borth sei ein Informant. Heute wissen wir, dass er nicht nur die Staatspolizei, sondern auch italienische Dienste belieferte. Ähnliche Verdachtsmomente existieren auch gegen Thiriart, freilich ohne einen Beweis.

Anfang der 1980er Jahre vollzog Thiriart einen Schwenk und machte sich für eine euro-sowjetische Allianz stark. Kurz vor seinem Tod 1992 traf sich Thiriart noch mit einer Riege russischer Nationalisten, darunter Dugin. Man besprach den gemeinsamen Kampf gegen die „Amerikanisierung“ Europas. Auch wenn Thiriarts Bewegung zeitlebens marginal war, so sind seine Ideen wirkungsmächtig, wie jene von Dugin. 2006 präsentierte der Vordenker der „Identitären“, Guillaume Faye, quasi als Destillat das Konzept eines ethnisch reinen und wirtschaftlich selbstständigen „Eurosibiren“. Zur Propagandierung trug ein Schüler Thiriarts viel bei: Christian Bouchet, 2014 Kandidat für den Front National in Nantes, hat zahlreiche Werke Dugins verlegt und diesen außerhalb Russlands bekannt gemacht. Wieder einmal schließen sich die Kreise.

Landig ist 1997 verstorben. Aber auch er hat Spuren hinterlassen – in der phantastischen Esoterik. Seine von den Ideen Evolas inspirierte 1.850 Seiten starke Trilogie „Götzen gegen Thule“ (1971), „Wolfszeit für Thule“ (1980) und „Rebellen für Thule – Das Erbe von Atlantis“ (1991) genießt in einschlägigen Kreisen noch heute Kultstatus. Erschienen ist alles in Landigs eigenem „Volkstumverlag“, ehe dieser 1992 von dem ehemaligen Wiener FPÖ-Abgeordneten Helmut Kowarik übernommen wurde.

In den Romanen beschreibt Landig eine Nazifestung im hohen Norden, wo auch die legendäre Insel „Thule“ liegen soll. Versatzstücke daraus wurden zuletzt in der Kino-Persiflage Iron Sky (2012) vermanscht. Bei Landig heißt es, dass vor Kriegsende noch ein elitärer Bund der SS, die „Schwarze Sonne“, den unterirdischen Stützpunkt „Punkt 103“ in der Antarktis bezogen hat. Von dort aus führt man einen metaphysischen Kampf gegen die Weltverschwörung des „Berges Zion“. An dieser Stelle wird der Antisemitismus deutlich, der die Bücher von vorne bis hinten durchzieht.

Schließlich muss „Punkt 103“ zugunsten neuer Verstecke in den Anden evakuiert werden. Verborgen sind dort auch die 4.000 Stundenkilometer schnellen „V 7“-Flugscheiben, nicht zum Einsatz gekommene „Wunderwaffen“. Dass Verschwörungstheoretiker an die Existenz dieser Nazi-Ufos glauben, hängt mit kryptischen Behauptungen Landigs zusammen. Er habe Entwicklungsunterlagen gesehen und einen Konstrukteur gekannt. Trotz oder gerade wegen solcher Spinnereien finden Landigs Romane ihre Leserschaft. Er selbst hat dem letzten Band folgendes vorangestellt:

„Der Geist von Thule ist ein Saatgut. Es soll die neuen Rebellen für Thule, die bereits in der Jugend von heute unter uns sind beseelen und ihnen Kraft geben in der Bestandslinie unseres Volkes.“

Hinweis: Eine kürzere Version ist in profil, Nr. 19/2017 erschienen

https://www.profil.at/shortlist/ausland/rechtspopulismus-allianz-kreml-vorgeschichte-8124025

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