Das skandalumwitterte Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wird also künftig Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) heißen. Wie sich aus dem etwas sperrigen neuen Namen ergibt, verfügt Österreich zum ersten Mal in seiner Geschichte über eine nachrichtendienstliche Struktur für das Innere – auch wenn diese nur eine „Hälfte“ des neuen Amts bildet.
Für Österreich ist es dennoch Neuland. Denn hierzulande war Staatsschutz seit den Tagen von Kaiser Karl VI., Anfang des 18. Jahrhunderts, alleinige polizeiliche Angelegenheit. Das drückte sich in der Bezeichnung der 1945 neu aufgestellten Staatspolizei aus. Diese war unter anderem für Spionage- und Terrorismusabwehr, Personen- und Objektschutz zuständig – ohne dafür adäquat ausgestattet zu sein.
An der Gründung des Verbands der Unabhängigen (VdU), Vorgängerorganisation der heutigen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), waren mehrere Männer beteiligt, die vorher im Untergrund aktiv gewesen waren und parallel für einen westlichen Geheimdienst arbeiteten. Dieser Aspekt der Geschichte des VdU war nur ein Randthema, als das Freiheitliche Bildungsinstitut Ende 2019 einen umstrittenen „Bericht der Historikerkommission“ zur FPÖ-Parteigeschichte vorlegte. Neu ausgewertete Quellen geben Einblick in das Geschehen hinter der Parteigründung 1949.
Flughafen Schwechat, 27. Dezember 1985: Die drei Männer benahmen sich verdächtig. Sie standen nebeneinander auf der Treppe und zupften nervös an ihrer Kleidung. Einer versuchte eine Handgranate im Ärmel seines Kamelhaarmantels zu verbergen. Der US-Amerikanerin Cora S. fiel das auf, als mit der Rolltreppe an dem Trio vorbeifuhr. Mit ihrem Ehemann, einem in Wien stationierten Diplomaten, war sie an diesem Samstagvormittag auf den Flughafen Schwechat gekommen, um Sohn David zu verabschieden. Nun hieß es rasch handeln – gemeinsam sprachen sie in der Abflughalle den nächstbesten Polizisten an. Doch der verstand kaum Englisch. Er konnte auch niemand verdächtigen im Umkreis entdecken. Gerade als sich der Polizist zu seinem Standort umkehrte, kam es zu mehreren Detonationen. So begann einer der schwersten Terroranschläge in der Geschichte der 2. Republik.
Das Terrorkommando kam mit der Ring-Straßenbahn. Am 21. Dezember 1975, kurz vor 11.30 Uhr fuhr man fast direkt vor den Sitz des OPEC-Generalsekretariats am Dr. Karl-Lueger-Ring Nr. 10 (seit 2012 Universitätsring). Gut, dass die Tram an diesem Sonntagvormittag fast leer war. Denn die Gruppe bot ein „lustiges Bild“, erinnerte sich Hans Joachim-Klein: Carlos mit seinen lateinamerikanischen Zügen und der in Wien gekauften Baskenmütze auf dem Kopf, der kleingewachsene „Jussef“, ein „Vollblutaraber“, und der Rest in dicken Jacken, um darunter Waffen zu verbergen: „Wir konnten uns deshalb kaum bewegen, und genauso sah es aus.“ In Adidas-Sporttaschen wurden Maschinenpistolen, Handgranaten, Plastiksprengstoff, Sprengkapseln und für jeden eine Packung Amphetamine zum Wachbleiben mitgeführt. Es war also kein Wunder, dass nicht nur der Schaffner „guckte“.
Vor 45 Jahren, am 20. Dezember 1975, war die Spionagestadt Wien Schauplatz einer besonders spektakulären Operation, die aber in Vergessenheit geraten ist. Mitten in Wien, vor der zentralen Votivkirche, „verschwand“ ein sowjetischer Überläufer vor der Votivkirche und wurde nicht mehr gesehen: Nicholas George Shadrin war dem KGB in die Falle gegangen. Offiziell ist der Fall bis heute ungeklärt. Und er verdeutlicht, dass der Kalte Krieg in Wien auch in späteren Jahren mitunter mit aller Härte und Verschlagenheit ausgetragen wurde. Denn es sollen auch Ost-Spitzel in den Reihen des österreichischen Sicherheitsapparats in das Verschwinden Shadrins involviert gewesen sein.
Die Dimension des im Juni wegen Spionage für Russland verurteilten Ex-Offizier des österreichischen Bundesheeres dürfte nach Ansicht des Geheimdienstexperten Thomas Riegler größer sein als bisher angenommen, wie er gegenüber der Wiener Zeitung erklärte. Anlass für die Einschätzung bietet ein Satz im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2019.
Expertengespräch für „Bedrohtes Land – Geschichte des Terrors in Österreich“, Dokumentation von Sabrina Peer und Gerhard Jelinek, ORF III, 7.11.2020, https://tv.orf.at/orf3/stories/3008845/
Georg Renner, Verfassungsschutz – die unendliche Reform, in: Kleine Zeitung, 12.11.2020.
Christian Böhmer, „Wehrhafte Demokratie“, in: Kurier, 12.11.2020.
Vor 60 Jahren fällt der kamerunische Freiheitskämpfer Felix Roland Moumié in Genf einem Mordanschlag mit Rattengift zum Opfer. Anhand von Dokumenten aus dem Schweizer Bundesarchiv wird dieses vergessene Verbrechen nachgezeichnet.
Dank großzügiger Unterstützung seitens der Botstiber-Stiftung konnten meine Forschungen zu „Der dritte Mann“ nun auch auf Englisch im Journal for Austrian-American History erscheinen – und dass in einer substanziell erweiterten Langfassung.
The Spy Story Behind The Third Man, in: Journal of Austrian-American History Vol. 4 (2020), 1-37.
Die mutmaßliche türkische Agentin in Österreich sei eher eine bloße Informantin, sagt Thomas Riegler. Und: Österreich habe bisher oft weggesehen, um weiter ein Begegnungsort zu bleiben.
Interview mit der Austria Presse Agentur, 2.9.2020