Der Möllwaldplatz in Wien-Wieden ist eigentlich „nur“ eine sackgassenförmige Stellfläche für Anrainerparken. Was diesen Ort aber besonders macht, ist seine Einbettung in eine sensible Umgebung. Da finden sich die Diplomatische Akademie, das ehemalige Funkhaus und zahlreiche ausländische Vertretungen. Jene von Russland stechen besonders hervor: Nur einen Steinwurf vom Möllwaldplatz entfernt ist der Brahmsplatz, wo das Kulturinstitut seinen Sitz hat. Ebenfalls nah liegt die Argentinierstraße, wo die Handelsvertretung ansässig ist. Etwas weiter entfernt – am Schwarzenbergplatz – steht nicht nur das Denkmal zu Ehren der Soldaten der Sowjetarmee, sondern seit 2022 die Europazentrale des Mineralölkonzerns Luikoil.
Diese dichte Präsenz hat historische Gründe: Während der Besatzungszeit konzentrierten sich sowjetische Schaltzentralen im Hotel Imperial und im Grand Hotel am Ring, während der nachgelagerte und zum sowjetischen Sektor gehörige Bezirk Wieden weitere Stellen, Offizierswohnungen und auch ein Geheimgefängnis in der Plößlgasse beherbergte.
Selbst Helfershelfer profitierten von der sicheren Umgebung: Unterwelt-„König“ Benno Blum, der Ende der 1940er Jahre Kidnappings für die Sowjets durchgeführte, wohnte in der Wohllebengasse. An der Hausnummer 2 am Möllwaldplatz, dem Ausgangspunkt dieser Geschichte, wohnte ab 1947 der ehemalige KPÖ-Landessekretär von Tirol, Max Bair. Er war ebenfalls in Spionageaktivitäten verwickelt und ging später in die DDR ins Exil.
Möllwaldplatz Nr. 5 ist seit 1956 die Anschrift des International Institute for Peace (IIP). Laut Eigendarstellung auf der Homepage ist das IIP „eine internationale Nichtregierungsorganisation“ mit „Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) und der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (UNESCO)“.
Das IIP arbeitet bis heute auf Grundlage österreichischen Rechts als gemeinnütziger Verein. Seit seiner Gründung hat sich das Institut folgenden Themen verschrieben: Friedenspolitik, atomare Abrüstung, Rüstungskontrolle und regionaler Dialog mit den Staaten des Westbalkan, Russland, dem Nahen Osten und Afrika.

Neue Unterlagen aus dem österreichischen Staatsarchiv geben Aufschluss über die Frühphase des IIP. Deutlich wird daraus, dass das Institut im Kalten Krieg neben seiner offiziellen Mission noch eine andere, verdeckte Rolle erfüllte: Nicht nur sowjetisches Geheimdienstpersonal dürfte per Tätigkeit am IIP „getarnt“ worden sein.
Noch wichtiger war die ideologische Nähe. Generell wurde damals von Seiten des Ostblocks viel Einfluss auf die prokommunistische westliche Friedensbewegung genommen, zu der auch das IIP zählte. Ziel dahinter war es, mittels „aktiver Maßnahmen“ die NATO- bzw. US-kritische Schlagseite der Friedenbewegung im Sinne Moskaus zu verstärken.
„Es ging hier nicht lediglich um nachrichtendienstliche Arbeit, auch nicht nur um den Einsatz von Einflussagenten im Westen, sondern um eine breitgefächerte Aktion, deren Ziel nicht nur die Untergrabung des westlichen Verteidigungswillens, sondern die Aushöhlung wesentlicher Teile unserer europäischen Wertordnung ist“, schrieb der deutsche Diplomat Hans Graf Huyn 1984. Dieser Befund klingt heute wieder ebenso aktuell wie vertraut.
Das IIP war mit dem Weltfriedensrat verbunden – dessen Präsident Romesh Chandra war Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Indiens und wurde 1981 von Leonid Breschnew mit dem Lenin-Orden ausgezeichnet. Chandra bekundete schon 1977, dass es gelungen sei, „den Erdball mit einem Netz von Organisationen der Friedensfreunde zu überziehen“.
Von seinem Hauptquartier in Helsinki aus unterhielt der Weltfriedensrat Beziehungen zu Unterorganisationen in 135 Staaten und erhielt für seine Propagandaaktivitäten jährlich 49 Millionen Dollar aus Moskau. Hauptaufgabe war es, so Huyn, „Pazifisten, Wehrdienstgegner, Neutralisten, Angehörige von Religionsgemeinschaften, Intellektuelle und andere in die sowjetische politische Strategie einzubinden“ – indem man sie von den angeblich friedfertigen Absichten der Sowjetunion überzeugte und Gegner als „Friedenfeinde“ diffamierte.
Der Weltfriedensrat hatte seine Zentrale zunächst in Paris und dann ab 1954 in Wien gehabt – von dort wurde die Organisation 1957 wegen subversiver Tätigkeit verwiesen. So ist es auch nicht überraschend, dass die Staatspolizei auch die Aktivitäten des IIP speziell in den 1960er und frühen 1970er Jahren im Auge behielt. 1969 war gar von einer „internationalen kommunistischen Hilfsorganisation“ die Rede.
Der langjährige IIP-Präsident war zu diesem Zeitpunkt der gebürtige Kanadier James Gareth Endicott. Der „Träger des Lein-Friedenspreises“ hatte als christlicher Missionar in China in den 1940er Jahren Anschluss an die chinesische kommunistische Partei gefunden.
Endicott zur Seite standen zwei Vizepräsidenten: Zum einen der der KPÖ nahestehende Nationalökonom Josef Dobretsberger und zum anderen der stellvertretende Chefredakteur der russischen Tageszeitung Iswestija, Nikolai Pollak-Poljanow. Als eigentlicher IIP-Direktor fungierte Joseph Lukas, Professor an der Prager Karls-Universität.
Unter den Mitgliedern des IIP-Exekutivkomitees stachen unter anderem hervor: Abdeen Ismail Mohammed (Mitglied der sudanesischen KP), der sowjetische Historiker Alexander Berkov (der bequemerweise gleich auf Nr. 3 Möllwaldplatz wohnte), der Psychoanalytiker und KPÖ-Mitglied Walter Hollitscher sowie der deutsche Graf Emil von Wedel, laut Staatspolizei „Mitarbeiter verschiedener kommunistischer Tarnorganisationen“.
Die Veranstaltungen des IIP sorgten jedenfalls mitunter für hohes Arbeitsaufkommen bei den Sicherheitsorganen. So kündigte der Leiter der Wiener Staatspolizei, Oswald Peterlunger, am 20. November 1964 an, dass am IIP ein „internes Seminar über die Wirtschaftsformen der Abrüstung“ stattfinden werde, „an dem zwischen 30 – 40 Personen aus dem Osten und Westen teilnehmen werden“. Die Sowjetunion schicke „angeblich mehrere Kapazitäten“.
Auf Mitarbeiterebene ergaben sich punktuell Hinweise darauf, dass hier gezielt sowjetisches Geheimdienstpersonal eingeschleust worden war. So zum Beispiel im Fall des Redakteurs Michael Putschkowskij, der 1964 gemeinsam mit seiner Frau ein Visum erhielt, um für die Dauer von zwei Jahren am IIP zu arbeiten.
Wahrscheinlich von einem befreundeten deutschen Nachrichtendienst bekam die Staatspolizei am 27. Juli 1964 folgende Information: „P., der bekanntlich mehrere Jahre hindurch bis 1960 zunächst als Attaché, dann als 3. Sekretär der sowjetischen Botschaft in der Schweiz angehört hat., ist dort offenbar mit Sicherheitsfunktionen innerhalb der Botschaft betraut gewesen. Einem – allerdings unbestätigten – Hinweis zufolge erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der für das KGB arbeitet.“
Wenige Wochen kam noch eine Auskunft zu Putschkowskij, diesmal offenbar von einem angloamerikanischen Dienst: „Mein Hauptquartier stellt fest, dass der Obgenannte fast sicher ein RIS [Russian Intelligence Service]-Offizier ist. Er trat im Jahre 1956 erstmals in Erscheinung, als er zum Attaché und Haupt der Konsularabteilung der sowj. Botschaft in Bern ernannt worden ist. Er spricht sehr gut Englisch und Französisch und wird als ruhig sprechender Gentleman bezeichnet. Im Jahr 1957 wurde er zum 3. Sekretär ernannt.“ Ende März 1965 waren neben Putschkowskij noch weitere vier sowjetische Staatsbürger am IIP beschäftigt.
Ein weiteres Dokument von 1973 zeigt, dass anlässlich der Neuwahl des IIP-Vorstands der biografische Hintergrund der Mitglieder nachrichtendienstlich durchleuchtet wurde. Wiederum aus Westdeutschland erhielt die Staatspolizei einige Erkenntnisse – etwa zu dem argentinischen Journalisten Alfredo Valero. Dieser sei „1963 von der sowjetischen Regierung als ‚Beständiger und Selbstloser Kämpfer für den Frieden‘ erwähnt und mit einem der Lenin – Friedenpreise ausgezeichnet“ worden.
Zum IIP-Vizepräsidenten aufgerückt war der Darmstädter Wirtschaftswissenschaftler und „Friedensforscher“ Gerhard Kade, ein inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit mit dem Decknamen SUPER. Sein größter Erfolg war 1981 die Gründung der Gruppe „Generale für den Frieden“.
Darin waren ehemalige NATO-Militärs organisiert, die der 1979 eingeleiteten Nachrüstung und der Nukleardoktrin kritisch gegenüberstanden und insbesondere in der Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in der BRD eine Gefahr für den Frieden erkannten. Die Idee dazu soll ursprünglich vom sowjetischen KGB gestammt haben, für den Kade unter dem Decknamen ROBUST ebenfalls tätig war.

Laut dem Chef der Stasi-Auslandsaufklärung Markus Wolf erhielt Kade direkt eine „relativ kleine Summe“, mit der er die Reise- und Publikationskosten der Generale für den Frieden beglich. Die Diskussionspapiere, die die Grundlage für die Öffentlichkeitskampagne der Gruppe bildeten, wurden teils unter Rückgriff auf KGB-Quellen erstellt.
Mit der „Wende“ von 1989 und dem Ende der Sowjetunion brach auch am IIP eine neue Ära an. Unter der Präsidentschaft des 2025 verstorbenen früheren Verkehrs-, Innen- und Außenministers Erwin Lanc entwickelte sich das Institut zur einer „Plattform zur Förderung von Frieden und gewaltfreier Konfliktlösung“.
Nunmehr befindet sich das IIP unter der Präsidentschaft des langjährigen Europapolitikers Hannes Swoboda und leistet klassische Think Tank-Arbeit, die nichts mehr mit den Anfängen des Instituts zu tun hat. Swoboda hat zuletzt im Februar 2025 klargestellt, dass der „völkerrechtswidrige Angriff gegen die Ukraine nicht nur diesem Land, sondern dem Westen und insbesondere Europa gilt“.
Das IIP selbst betont auf Nachfrage: „Als Organisation, die sich bereits vor dem Großangriff Russlands intensiv mit der Situation in der Ukraine beschäftigt hat, haben wir eine klare Position zum völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine 2022, bzw. der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim in 2014 und der russischen Aktivitäten im Donbass. Das Team des IIP steht für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung sowie für eine lebendige Meinungsvielfalt. Leitend für unsere Arbeit sind dabei vor allem die Anerkennung des Völkerrechts und das klare Bekenntnis zu den Menschenrechten.“