Das Terrorkommando kam mit der Ring-Straßenbahn. Am 21. Dezember 1975, kurz vor 11.30 Uhr fuhr man fast direkt vor den Sitz des OPEC-Generalsekretariats am Dr. Karl-Lueger-Ring Nr. 10 (seit 2012 Universitätsring). Gut, dass die Tram an diesem Sonntagvormittag fast leer war. Denn die Gruppe bot ein „lustiges Bild“, erinnerte sich Hans Joachim-Klein: Carlos mit seinen lateinamerikanischen Zügen und der in Wien gekauften Baskenmütze auf dem Kopf, der kleingewachsene „Jussef“, ein „Vollblutaraber“, und der Rest in dicken Jacken, um darunter Waffen zu verbergen: „Wir konnten uns deshalb kaum bewegen, und genauso sah es aus.“ In Adidas-Sporttaschen wurden Maschinenpistolen, Handgranaten, Plastiksprengstoff, Sprengkapseln und für jeden eine Packung Amphetamine zum Wachbleiben mitgeführt. Es war also kein Wunder, dass nicht nur der Schaffner „guckte“.
Vor 45 Jahren, am 20. Dezember 1975, war die Spionagestadt Wien Schauplatz einer besonders spektakulären Operation, die aber in Vergessenheit geraten ist. Mitten in Wien, vor der zentralen Votivkirche, „verschwand“ ein sowjetischer Überläufer vor der Votivkirche und wurde nicht mehr gesehen: Nicholas George Shadrin war dem KGB in die Falle gegangen. Offiziell ist der Fall bis heute ungeklärt. Und er verdeutlicht, dass der Kalte Krieg in Wien auch in späteren Jahren mitunter mit aller Härte und Verschlagenheit ausgetragen wurde. Denn es sollen auch Ost-Spitzel in den Reihen des österreichischen Sicherheitsapparats in das Verschwinden Shadrins involviert gewesen sein.
Expertengespräch für „Bedrohtes Land – Geschichte des Terrors in Österreich“, Dokumentation von Sabrina Peer und Gerhard Jelinek, ORF III, 7.11.2020, https://tv.orf.at/orf3/stories/3008845/
Georg Renner, Verfassungsschutz – die unendliche Reform, in: Kleine Zeitung, 12.11.2020.
Christian Böhmer, „Wehrhafte Demokratie“, in: Kurier, 12.11.2020.
Am 10. März 1950,vor 70 Jahren, hatte „Der dritte Mann“ im Apollo-Kino seine Österreich-Premiere. Mitinspiriert hatte den Film ein Schwarzmarkt-Schieber, der Wien zeitgleich unsicher machte.
40 km von Wien entfernt, östlich von Hollabrunn findet sich ein Waldstück mit dem Namen „Jesuitenholz“. Das alleine wäre nicht außergewöhnlich. Doch in diesem Fall scheint das Wäldchen im Koordinatensystem des internationalen Terrorismus der 1980er Jahre auf – mit Querverbindungen bis hin zum mysteriösen Attenat auf den „Herrn des Geldes“, Alfred Herrhausen, vor 30 Jahren.
Es war eine Szene wie aus einem Western. Vor 20 Jahren, am 15. September 1999, fragte eine Polizistin zwei Verdächtigte an der Ecke Wagramer Straße/Schrickgasse in Wien-Donaustadt nach dem Ausweis. Die beiden – ein Mann und eine Frau – waren einem Anrainer aufgefallen. Seit mehreren Wochen hatte sich das Duo mit auffälligen Kappen und Sonnenbrillen an derselben Straßenkreuzung getroffen. Das kam dem Rentner schließlich so verdächtig vor, dass er die Polizei alarmierte. Als es nun zu der Personenkontrolle kam, ging alles ganz schnell: Der Mann zog eine Pistole und auch die Beamtin griff nach der Dienstwaffe. „Die beiden standen sich Auge in Auge gegenüber, fast wie bei einem Duell“, sagte ein Zeuge später.
Vor 35 Jahren wäre Wien beinahe zum Schauplatz eines Terrorakts geworden, der vielleicht die blutigen Ereignisse der OPEC-Geiselnahme (1975) oder des Anschlags auf dem Flughafen Schwechat (1985) in den Schatten gestellt hätte. Aber es kam ganz anders, wie aus Ermittlungsakten hervorgeht.
Vor 70 Jahren wurde in Wien ein Film gedreht, der wie kein anderer sinnbildlich für Spionage steht: „Der dritte Mann“. Doch dieses Thema kommt darin gar nicht vor. Erzählt wird eine Krimi-Geschichte, die Jagd auf einen Schwarzmarkt-Ring. Und dennoch ist „Der dritte Mann“ untrennbar mit der Schattenwelt der Geheimdienste verbunden. Das hängt zunächst mit dem Schauplatz zusammen: Dem zerbombten Wien des frühen Kalten Kriegs. Kaum reflektiert wird dagegen, dass es in der Entstehungsgeschichte des Films nur so von Geheimdienstlern wimmelt: vom Produzenten (Alexander Korda), über den Autor der Romanvorlage (Graham Greene) bis hin zum realen Vorbild der Hauptfigur „Harry Lime“ (Kim Philby). Noch dichter war es hinter den Kulissen, wo eine frühere US-Agentin als Assistentin und ein mutmaßlicher KGB-Agent als Stichwortgeber agierten. Hinter „Der dritte Mann“ verbirgt sich eine Spionagegeschichte rund um Verrat und menschliche Abgründe.
Vor 70 Jahren tobt in Österreich ein Geheimdienstkrieg: Es finden Entführungen auf offener Straße stat und Putschgerüchte machen die Runde. 1948 befindet sich der der Kalte Krieg in Österreich in einer besonders „heißen Phase“. All das inspiriert den Filmklassiker „Der Dritte Mann“.
Ende Juni 2018 ließ der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, aufhorchen: Österreich sei nach wie vor „ein privilegierter Bereich der Operationen“ von Geheim- und Nachrichtendiensten aus aller Welt. Jedoch sei Wien nun hinsichtlich der Dichte der Präsenz von der EU-Hauptstadt Brüssel, überholt worden. Die Anzahl der hierzulande tätigen Spione sei eine Community von knapp 1.000 Personen. Dieser Artikels bietet einen Überblick dazu, welche konkreten Operationen in den letzten Jahren bekannt geworden sind.