Seit 2000 sind mittlerweile mehr als 20 Millionen Euro auf einem Konto der Bank Austria eingefroren. Das Konto mit der Nr. 132195566 war am 4. August 1982 bei der damaligen Länderbank eröffnet worden – und zwar von der jordanischen Staatsbürgerin Halimeh Almughrabi. Zwischen 1982 und 1987 wurde die Millionensumme in vier Tranchen einbezahlt. Nach Ansicht der Ermittler fungierte Almughrabi dabei nur als „Strohfrau“ für ihren Ehemann Samir Najmeddin, dem 1984 eine Kontrollvollmacht für das Konto eingeräumt wurde. Der 1939 geborene Najmeddin, Kampfname „Abu Nabil“, war niemand Geringerer als der Finanzfachmann der berüchtigten Abu-Nidal-Organisation (ANO) und für alle Auslandsinvestitionen zuständig.
Insgesamt hat die ANO Anschläge in 20 Staaten verübt, die rund 900 verletzte oder getötete Opfer forderten. Der Terror endete erst, nachdem die Nachrichtendienste Libyens und Syriens den Anführer Abu Nidal („Vater des Schreckens“) Ende der 1980er Jahre fallen ließen. 2002 wurde er in Bagdad von Saddam Husseins Geheimpolizei ermordet.
In Österreich hatte Abu Nidal insgesamt drei Mal zugeschlagen: 1981 starb der Wiener Stadtrat Heinz Nittel bei einem Schussattentat. Im selben Jahr wurde die Synagoge in der Wiener Innenstadt angegriffen. Bilanz: Zwei Tote und 21 Verletzte. Ein letztes Fanal folgte 1985. Ein Terrorkommando überfiel den El-Al-Schalter am Flughafen Schwechat und hinterließ drei Tote und 39 Verletzte.
Es gehört zu den vielen Ambivalenzen der österreichischen Antiterror-Politik, dass trotz dieser Schreckensbilanz und nach mittlerweile mehreren Jahrzehnten immer noch Geld der ANO auf einem Wiener Bankkonto liegt.
Mit Waffengeschäften Terrorismus finanziert
Dieses stammt ursprünglich aus dem Geschäftsimperium der Terrororganisation. Herzstück war die Firma SAS Trade & Investment, deren Zentrale in Warschau von Samir Najmeddin geleitet wurde. Weitere Zweigstellen befanden sich in Ost-Berlin, Kuwait, Griechen-land und Zypern. Vor allem das kommunistische Polen und die DDR duldeten die Präsenz der ANO stillschweigend – und kamen im Gegenzug an Devisen bzw. an Informationen über die internationale Terrorszene heran. Auch von österreichischem Boden aus wurden Geschäfte mit den Terroristen abgewickelt: Anfang der 1980er Jahre hatte der syrische Waffenhändler Monzer Al-Kassar in der Wiener Zelinkagasse die Import-Export-Firma Alkastronic angesiedelt. 1985 kam es zu einer Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf Terrorverbindungen. Beweise für eine strafbare Handlung wurden aber nicht gefunden. Was die damaligen Ermittler nicht wussten, die Alkastronic hatte nachweislich Geschäftskontakte mit der ANO: Und zwar wurden am 9. März 1984 Najmeddins SAS 553 Pistolen sowie eine „größere Anzahl Munition“ für 228.560 Dollar in Rechnung gestellt. Eine zweite Abrechnung vom 3. April 1984 lautete auf 20.000 Stück 7,65 mm-Munition und 20 Pistolen mit Gold- und Silbergravur. In diesem Fall belief sich der fällige Betrag auf 9.980 Dollar.
Bei der „Weltbank des Verbrechens“ angelegt
Gewinne aus solchen Waffengeschäften wurden bevorzugt bei der als „Weltbank des Verbrechens“ bekannt gewordenen Bank of Credit and Commerce International (BCCI) in London angelegt – wegen deren besonderer Fähigkeit Gelder zu „verstecken“. Darüber hinaus richtete man Konten in der Schweiz, Spanien und in Österreich ein. Laut dem britischen Autor Patrick Seale wurde dabei ein beträchtlicher Anteil des Geldes auf die Namen von Abu Nidals engsten Familienangehörigen deponiert.
Wie aus staatspolizeilichen Ermittlungsakten hervorgeht, gab es bei österreichischen Banken gleich mehrere solcher Konten. Najmeddin selbst hatte 1986 bei der Zentralsparkasse das Konto Nr. 570309930 eröffnet. Als weitere Zeichnungsberechtigte schien dafür eine junge syrische Studentin auf, die zu diesem Zeitpunkt in Wien-Floridsdorf wohnte. Es handelte sich um Khalil Badia, die 1967 geborene Tochter Abu Nidals. So undenkbar es scheint, die Palästinenserin studierte jahrelang in Österreich – in jenem Land das von der Organisation ihres Vaters zuvor mehrfach angegriffen worden war. Badia blieb bis Anfang der 1990er Jahre und stand während dieser Zeit unter intensiver Beobachtung seitens der Staatspolizei.
Konto eingefroren
1991 versuchte Najmeddin über das größte Guthaben, nämlich bei der Länderbank/Bank Austria, erstmals wieder zu verfügen. Doch das besagte Konto war im Zuge des Golfkrieges wegen Verdachts auf Irak-Verbindungen eingefroren worden. Am 13. Jänner 2000 betrat schließlich die seinerzeitige Kontoeröffnerin Almughrabi die Filiale in der Wiener Nordbergstraße 13, um auf das Guthaben zuzugreifen. Sie wurde vor Ort von WEGA-Beamten festgenommen. Weil sich die damals 65jährige Frau in zahlreiche Widersprüche verwickelte, klagte man sie wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation an. Später auf Kaution freigelassen, erschien Almughrabi nicht mehr zu den Verhandlungsterminen. Es hieß, die libyschen Behörden würden ihr die Ausreise verweigern. Am 1. Juli 2008 gab es schließlich einen Knalleffekt in der Causa: Der Antrag der Staatsanwaltschaft, das Guthaben für verfallen zu erklären, wurde abgelehnt. Weil die ANO in der Zwischenzeit nicht mehr existierte, sah das Gericht keine Gefahr, dass das Geld terroristischen Zwecken zufließen könnte. Das Urteil wurde in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen.
„Es ist noch im Laufen“
Im April 2011 wurde der Prozess vertagt und sämtliche Privatbeteiligte – die Finanzprokuratur als Vertreterin der Republik Österreich und ein beim Synagogenanschlag 1981 schwer verletztes Opfer – aus dem Verfahren ausgeschlossen. Dann wurde es lange still in der Angelegenheit. Offenbar aus gutem Grund: Wie die „Salzburger Nachrichten“ berichteten, ist die einstweilige Verfügung im Mai 2014 aufgehoben worden. Das Geld, mit Zinsen und Zinseszinsen wird wohl der Kontoinhaberin ausgezahlt: „Begründung: Man habe nicht beweisen können, dass es sich um ‚Terrorgeld‘ handle.“ Der Wiener Anwalt Farid Rifaat, der Almughrabi vertritt, sagte damals: „Das Geld ist noch nicht eingelangt. Es ist noch im Laufen.“ Aktuell soll es sich immer noch auf dem Konto befinden.