500 Meter hoch stieg die Rauchsäule, ein riesiges Flammenmeer hielt Feuerwehrleute die ganze Nacht auf Trapp: Am 4. August 1972 waren im Hafen von Triest vier von 25 Öltanks in Brand geraten und zwei weitere beschädigt worden. Das Großtanklager gehörte zur Transalpine Ölleitung (TAL), einer Pipeline, die vom Hafen Triest in der Bucht von Muggia nach Ingolstadt und Schwechat führt. Für Österreich ist die TAL bis heute eine wichtige Energieversorgungsroute.
13 Feuerwehrleute (nach anderen Meldungen waren es 18) erlitten Brandverletzungen. Unglücksursache war Sabotage, begangen durch Angehörige der palästinensischen Terrororganisation Schwarzer September. Die Gruppe war 1971 innerhalb der „Fatah“ von Jassir Arafat gebildet worden. Es handelte sich um eine Tarnorganisation. Das ermöglichte es, die Verantwortung für Terrorakte „glaubwürdig“ abzustreiten.
Im Falle des Anschlags in Triest sollen es insgesamt sechs Attentäter gewesen sein: Zwei Algerier, zwei Französinnen und zwei Italiener. Sie waren am 3. August 1972 in einem Leihwagen nach Triest gefahren. Um in das abgesperrte Depotgelände einzudringen, benutzten sie Drahtscheren. Anschließend wurden vier Tanks mit Plastiksprengstoff gesprengt.
Die erste der Sprengladungen ging um 03:15 Uhr morgens hoch. Aber der Containment-Zylinder von Tank Nr. 44, welcher der Stadt am nächsten lag, hielt stand. Inzwischen wurden die Feuerwehrleute alarmiert und kamen auch aus anderen Orten Friaul-Julisch Venetiens sowie aus Venetien und der Lombardei. Um 03: 25 Uhr war der Tank Nr. 11 an der Reihe, um 03:30 Uhr der Tank Nr. 54 und unmittelbar danach Tank Nr. 21. Techniker setzten den Notfallplan um, indem sie begannen, alle Lagertanks zu leeren und so viel Rohöl wie möglich nach Ingolstadt zu pumpen, um neue Explosionen zu verhindern.
Am Nachmittag des 4. August 1972 sprang das Feuer auf den Tank Nr. 55 über. Die Flammen loderten 150 m hoch und die Rauchsäulen reichten auf eine Höhe von etwa 6 km. Nur das Fehlen des in der Region üblichen Winds in Kombination mit gutem Wetter verhinderte eine weitere Ausbreitung der Feuers. Erst nach vier Tagen waren die Brände gelöscht. 160.000 Tonnen Rohöl aus Libyen waren in Rauch aufgegangen. Die TAL-Pipeline war aber „nur“ für zwei Stunden unterbrochen gewesen.

Die Terroristen-Gruppe wurde von dem Algerier Mohamed Boudia angeführt. Er war eigentlich der Leiter des Netzwerks der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) in Westeuropa und verfügte über Stützpunkte in Paris und Genf. Boudia nahm aber auch an Anschlägen des Schwarzen September teil. Deswegen wurde er am 28. Juni 1973 vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad in Paris ermordet.

In Triest standen Boudia zur Seite: Chabane Kadem, genannt „Christian“ sowie die beiden Französinnen Dominique Iurlilli und Therese Lefebvre. Auch zwei Italiener – Ludovico C. und Pierluigi M. – waren mit von der Partie. Die Namen standen in einem Notizbuch, das im November 1972 bei einem Mitglied des Schwarzen September gefunden wurde, der in Paris einen syrischen Journalisten ermordet hatte.
Der Anschlag in Triest war einer der ersten internationalen Terrorakte, von denen auch Österreich indirekt betroffen war. Gendarmeriepatrouillen sicherten das durch Kärnten verlaufende Stück, die in Würmlach abzweigende Adria-Wien-Pipeline sowie die Donaubrücken zwischen der Lobau und Schwechat. Die österreichische Staatspolizei befürwortete, die Sicherheitsvorkehrungen bis Ende September 1972 aufrechtzuerhalten, wie aus diesem Dokument hervorgeht.

Der Schwarze September hatte sich in einem Communiqué, das in Beirut veröffentlicht wurde, zu dem Anschlag bekannt. Es hieß, das Attentat gehöre zu Operationen „gegen die Feinde der palästinensischen Revolution und gegen die Interessen der Imperialisten, die den Zionismus unterstützen.“
In italienischen Zeitungen war zu lesen, „dass die Organisation ‚Schwarzer September‘ in Rom über mindestens vier Wohnungen verfügen, die als Unterschlupf und Waffenlager dienen sollen. In Perugia sei die Universität ein Informations- und Rekrutierungszentrum.“
Die italienischen Behörden waren zunächst skeptisch. Der verwendete Sprengstoff schien identisch mit jenem, der wenigen Monate zuvor, am 31. Mai 1972, in Peteano verwendet worden war. Bei diesem Attentat unweit von Triest waren drei Carabinieri mittels einer Sprengfalle ermordet worden. Auch die Entdeckung eines Waffen- und Munitionslager in einer Höhle bei Triest im Februar 1972 wurde zunächst mit dem Anschlag auf das Tanklager in Verbindung gebracht.
Tatsächlich war die Explosion in Peteano das Werk von Rechtsextremisten gewesen. Und das aufgefundene Depot gehörte zu den Beständen von Gladio, dem italienischen Stay Behind-Netzwerk, das für den Fall einer sowjetischen Invasion bereitstand.

Nur wenige Wochen nach dem Attentat in Triest schlug der Schwarze September wieder zu. Bei der Münchner Olympiade wurden am 5. September 1972 israelische Sportler als Geiseln genommen. Alle elf Athleten fanden den Tod.
Die Sicherheitsvorkehrungen bei der Olympiade waren generell lax und hatten es den Terroristen leichtgemacht. Offenbar hatten die Ereignisse in Triest keinen Anstoß gegeben, etwas an dieser Haltung zu ändern – mit fatalen Folgen.
