Vor 45 Jahren, am 5. September 1972, überfielen acht schwer bewaffnete „Fedajin“ (Märtyrer) das Quartier der israelischen Mannschaft im Olympischen Dorf und nahmen elf Geiseln. Zwei der Sportler wurden im Handgemenge ermordet. Die laxen Sicherheitsbestimmungen der „heiteren Spiele“ hatten es den Palästinensern leicht gemacht. Spätabends scheiterte ein dilettantischer Befreiungsversuch der bayrischen Polizei: Am Ende der stundenlangen, chaotischen Schießerei waren neun Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizist tot.
Das Münchner Olympia-Attentat war eine Wegscheide in der Entwicklung des modernen Terrorismus. Zuvor hatten nationale Bezüge vorgeherrscht. Man denke an den Nordirland-Konflikt oder das Baskenland. Die Münchner Geiselnahme dagegen wurde transnational vorbereitet und durchgeführt – mit der Intention, weltweite mediale Aufmerksamkeit auf das sogenannte „Palästinenserproblem“ zu lenken. Dabei war die verantwortliche Organisation „Schwarzer September“ mit Akteuren außerhalb des Nahen Ostens verbunden. Unter letzteren sollen sich nicht nur westdeutsche Linksextremisten, sondern auch Neo-Nazis befunden haben.
Alter und neuer Terrorismus
Es gibt vieles, das den „internationalen Terrorismus“ der 1970er und 1980er Jahre mit dem heutigen Terrorismus verbindet. Das lässt mehr auf Kontinuität und Weiterentwicklung schließen, als dass es sich um ein gänzlich „neues“ Phänomen handeln würde. Zwar ist es richtig, dass Islamische Staat (IS), der spätestens seit 2014 Teile des Irak und Syriens kontrolliert, frühere Gruppen übertrifft – in Sachen militärischer Stärke, territoriale Kontrolle, Gewaltintensität, medialer Inszenierung und eigenen Einkommensquellen. Aber schon in den in den 1970er und 1980er Jahren bildeten palästinensische Organisationen mit westeuropäischen Gruppen ein transnationales Netzwerk unter dem Deckmantel des „Antiimperialismus“. In vielerlei Hinsicht waren die 1970er Jahre sogar das „goldene Zeitalter“ des Terrorismus – während etwa in den USA in dieser Zeitspanne 184 Menschen getötet wurden, gab es dort 2001-2015 74 Todesopfer. Alleine in einem achtmonatigen Zeitraum 1971/72 verzeichnete das FBI 2.500 Bombenexplosionen auf US-Boden, fünf am Tag. Nur ein Prozent davon war tödlich.
Der größte Unterschied zwischen dem „alten“ und „neuen“ Terrorismus besteht in den völlig veränderten Rahmenbedingungen: „Der ‚alte’ Terrorismus“ war ein Terrorismus im Zeitalter des Kalten Krieges und wurde darüber hinaus vom Nahost-Konflikt geprägt. Heute sehen wir uns losen Netzwerken und Einzeltätern gegenüber. In den 1970er und 1980er Jahren dominierten hingegen Kaderorganisationen mit festen Basen. Und schließlich haben sich die Kommunikationsmöglichkeiten ebenso wie die Opferzahlen um ein Vielfaches potenziert.

„Mentoren“ des internationalen Terrorismus
„Zwischen 1968 und 1980“, so der US-amerikanische Terrorismusforscher Bruce Hoffman, seien Palästinenser „für mehr internationale Terrorakte verantwortlich gewesen, „als jede andere Bewegung“. Ursprünglich aufgekommen war der palästinensische Terrorismus Ende der 1960er Jahre – als Konsequenz militärischen Scheiterns: Das Vorhaben, nach klassischem Guerillamuster eine revolutionäre Basis in den besetzten Gebieten zu bilden, war nach dem israelisch-arabischen Krieg von 1967 aufgegeben worden.
Den Ausweg, den die palästinensischen Gruppen aus diesem Dilemma wählten, lag in der konsequenten „Internationalisierung“ ihres Kampfes – umso die Öffentlichkeit auf den Konflikt aufmerksam zu machen und Druck in Richtung einer politischen Anerkennung auszuüben. Ab 1968 begannen kleine Kommandos, zunächst von Georges Habashs Volksfront zur Befreiung Palästinas (PLFP) und später von Wadi Haddads PLFP-„Special Group“ Passagierflugzeuge zu entführen. Vorerst israelische und später auch vermehrt internationale Flüge. Hatten Auslandsoperationen zu Beginn der 1970er Jahre nur drei Prozent aller Aktivitäten ausgemacht, waren es 1972 bereits 12 Prozent und im Jahr darauf 30 Prozent. Es gelang die Etablierung eines weitverzweigten Netzwerks, das unterschiedliche Organisationen miteinander verband: Bis Anfang der 1980er Jahre sollen mindestens 40 Gruppen aus Asien, Afrika, Nordamerika, Europa und dem Nahen Osten in palästinensischen Lagern ausgebildet worden sein.
Jassir Arafat hatte 1959 die Fatah in Kairo gegründet und übernahm 1969 den Vorsitz innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Diese war im Endeffekt eine Art Dachverband für unzählige Organisationen, die verschiedene Interessen vertraten. Arafats Kontrolle war also fragil. Das ließ machtvollen Apparaten innerhalb der PLO viel Raum zur Entfaltung. Dazu zählte der Geheimdienst JIHAZ AL-RASD. Dessen Leiter Abu Iyad war seit Anfang der 1970er Jahre einer der wichtigsten Vertreter einer aggressiven Guerilla- und Terrorismusstrategie. Innerhalb der PLO bekleidete er seit 1970 die Position des Geheimdienstchefs und übersah sämtliche nachrichtendienstliche Tätigkeiten, darunter auch die Vorbereitung und Durchführung von Terroranschlägen. Am bekanntesten ist die Rolle Abu Iyads als inoffizieller Anführer des „Schwarzen September“, wenn gleich er dies zeitlebens leugnete.
„Schwarzer September“
Die Organisation war 1971 innerhalb der Fatah gegründet worden, um Rache an König Hussein von Jordanien zu nehmen, nachdem dieser die PLO aus dem Land vertrieben hatte. Von daher stammt auch der Name „Schwarzer September“. Nach einigen Mordanschlägen auf hohe jordanische Würdenträger wie Premierminister Wasfi Tal weitete der „Schwarze September“ bereits 1972/73 sein Aktionsfeld aus: Zweimal wurden internationale Flüge entführt und mehrmals kam es zu Sabotageakten gegen industrielle Einrichtungen in Westeuropa. Zahlreiche Operationen galten israelischen Zielen: Mordanschläge gegen einzelne Repräsentanten, Attentate gegen Botschaften (Bangkok) und massiver Einsatz von Briefbomben.
Heute kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass der „Schwarze September“ keine eigenständige Gruppe war. Wie aus freigegebenen Unterlagen des U.S. State Departments von 1973 hervorgeht, war man sich damals im Klaren darüber, dass der Jihaz al-Rasd mit Abu Iyad an der Spitze, den „Schwarzen September“ bildete. Zur selben Erkenntnis gelangte übrigens auch das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit (MfS): In einer undatierten Zusammenstellung zu den Aktivitäten des Jihaz al-Rasd wurde ausdrücklich festgehalten, dass es den „Schwarzen September“ so nicht gebe: Die Operationen dieser „fiktiven Organisation“ würden von einem „Sonder-Operationsapparat“ des Jihaz al-Rasd „langfristig geplant und durchgeführt“. Aktionen würden „auf höchster Ebene der Fatah beschlossen und von den leitenden Funktionären des Jihaz al Rasd selbst angeleitet“.
Kommando- und Kommunikationszentren befänden sich im libanesischen Beirut. Darüber hinaus gab es laut einem israelischen Bericht Trainingseinrichtungen und Waffenlager in allen 14 Flüchtlingslagern im Libanon. Im Hintergrund würden praktisch alle arabischen Staaten, mit Ausnahme Jordaniens, politische, finanzielle und operationelle Hilfe leisten. Libyen dürfte überhaupt eine zentrale Rolle im Hintergrund gespielt haben: Staatschef Muammar al-Gaddafi unterstützte das Olympia-Attentat „moralisch, materiell und finanziell”, so der deutsche Historiker Tim Szatkowski. Nicht nur durchliefen die acht Geiselnehmer eine Ausbildung in libyschen Lagern – auch die Vermutung, dass Gaddafi die Organisation generell förderte, liege nahe, so Szatkowski. Sinnbildlich wurde das mit dem „Heldenbegräbnis“, das die fünf getöteten Attentäter von München am 13. September 1972 in Tripolis erhielten.
„Desaster einer Chaostruppe“
Die Idee, eine Operation während der Olympischen Spiele zu unternehmen, war angeblich erstmals Anfang Juli 1972 aufgekommen – im Rahmen einer Diskussion zwischen Abu Iyad, seinem Operationschef Abu Daoud und dessen „rechte Hand“ Fakhri al-Umari in einem Cafe in Rom. Als man gemeinsam die offizielle Ablehnung einer palästinensischen Delegation durch das Internationale Olympische Komitee besprach, soll al-Umari spontan die Idee eingebracht haben, auf andere Art und Weise teilzunehmen – durch das Kidnapping israelischer Sportler. Außerdem wollte man 236 Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freipressen. Auf der entsprechenden Liste befanden sich zusätzlich noch die Namen der Gründer der Roten Armee Fraktion (RAF), Andreas Baader und Ulrike Meinhof.

Zwecks praktischer Umsetzung stellte Abu Daoud ein Team zusammen, das teils aus erfahrenen Kämpfern, aber auch aus Amateuren bestand. Der Operationschef selbst kundschaftete das Ziel im Olympischen Dorf aus und sorgte für das Einschmuggeln der Waffen. Die Geiselnahme freilich verlief dann aber nicht so kühl-kalkuliert, wie beabsichtigt. Auf Basis neu ausgewerteter Dokumente kam der „Spiegel“ 2012 zum Schluss, die Aktion in München sei das „Desaster einer Chaostruppe“ gewesen, „die im Moment der Niederlage von ihren Hintermännern im Stich gelassen und geopfert wurde“. Fünf der Kommandomitglieder starben, drei wurden festgenommen. Kein einziger Gefangener hatte freigepresst werden können. Die Opfer seien allerdings nicht ganz umsonst gewesen, behauptete Abu Iyad später:
„World opinion was forced to take note of the Palestinian drama, and the Palestinian people imposed their presence on an international gathering that had sought to exclude them.”

Hauptgrund für die hohe mediale Resonanz war, dass die Münchner Olympiade erstmals live übertragen wurde. So bot sich eine Bühne, um ein „globales“ Publikum zu erreichen. Mindestens 4.000 Zeitungs-, Magazin- und Radiojournalisten waren in der bayerischen Hauptstadt versammelt. Dazu kamen weitere 2.000 TV-Moderatoren und Crews. Ihre Berichterstattung richtete sich an ein Publikum von schätzungsweise 900 Millionen Menschen in bis zu 100 verschiedenen Ländern. Dass die Sportveranstaltung live übertragen wurde, kam 1972 einem „technologischen Wunder“ gleich. Die Spiele von München beherrschten den internationalen Äther. Es gab keinen Krieg und keinen größeren geopolitischen Konflikt, nichts, das damit hätte konkurrieren können. Alleine im amerikanischen Fernsehen wurde 1.017 Minuten direkt aus München übertragen, weshalb der österreichische Psychologe Friedrich Hacker zum Schluss kam:
„Am 5. September 1972 stellte der Terrorismus einen neuen Weltrekord auf: noch niemals zuvor war es so wenigen gelungen, so viele durch Schreckenserregung und Furchteinflößung in ihren Bann zu schlagen.“

Terrorziel Schönau an der Triesting
Nur wenige Monate nach dem Münchner Olympia-Attentat erlebte der Schwarze September eine erste Niederlage – und zwar in Österreich. Das hatte einen bestimmten Grund: Nämlich die besondere Rolle Österreichs als Transitland für die jüdische Emigration aus dem Ostblock. Bis 1973 hatten rund 165.000 Emigranten per Bahn den kommunistischen Machtbereich über Österreich verlassen. Rund 70.000 von ihnen verbrachten anschließend einen Aufenthalt in einem Transitlager der Jewish Agency in Schönau an der Triesting. In der arabischen Welt wurde die Einwanderungswelle nach Israel als feindliche demografische Stärkung angesehen, die zu unterbinden war. Auch hier wird der antisemitische Leitfaden deutlich, der diese Terrorserie insgesamt miteinanderverband.

Im Jänner 1973 konnte eine geplante Geiselnahme in Schönau vereitelt werden. Zwei Teams des Schwarzen September, die über die Schweiz nach Wien reisten, wurden kurze Zeit später verhaftet – es hatte im Vorfeld konkrete Warnungen ausländischer Geheimdienste gegeben. Wenige Monate später sollte es der Gruppe Saika dennoch gelingen, in einem Auswandererzug Geiseln zu nehmen. Als Zugeständnis wurde das Lager Schönau geschlossen, die Emigration ging jedoch weiter.
Geheimgespräche mit der CIA
Die letzte Operation des „Schwarzen September“ ereignete sich ebenfalls 1973: Beim Überfall auf die Residenz des saudischen Botschafters in Khartum wurden zwei US-Diplomaten und der belgische Charge de affairs getötet. Anfang Juli 1973 traf sich der CIA-Stationschef in Beirut, Robert C. Ames, mit seinem langjährigen Vertrauensmann in der PLO, Ali Hassan Salameh. Dieser war auch einer der Anführer des Schwarzen September und erklärte Ames, warum die Diplomaten getötet worden waren. Man habe die USA dazu bringen wollen, die Palästinenser ernst zu nehmen. Der geforderter Dialog kam tatsächlich zustande: CIA-Vizedirektor Vernon Walters traf am 3. November 1973 in Marokko mit einem hohen PLO-Funktionär zusammen. Wenngleich das politisch nicht viel erbrachte, erhielt Walters die Zusage, dass die Fatah künftig keine Angriffe mehr auf US-Bürger unternehmen würde.
Der „Schwarze September” wurde aufgelöst. Ihren Zweck hatte die Organisation erfüllt. Nun sandte man Signale an der diplomatischen Front aus. Symbolischer Höhepunkt war Arafats Auftritt vor der UN-Generalversammlung am 13. November 1974, wo er seine Bereitschaft bekundete, mit Israel zu verhandeln. Der Terror ging freilich weiter – und wurde in erster Linie von jenen Gruppen betrieben, die gegen Arafats Kurs opponierten.

Links- und rechtsextremistische Helfer beim Olympia-Attentat?
Die „Achse“ zwischen westdeutschen Linksextremisten und den Palästinensern war ein wesentliches Element des internationalen Terrorismus der 1970er und 1980er Jahre. Was damals von Gruppen wie der RAF oder den Revolutionären Zellen (RZ) als „antiimperialistische Solidarität“ bezeichnet wurde, wird von der neueren Forschung eindeutig als „antiisraelisch bzw. antijüdisch und insofern antisemitisch“ bewertet. 1969 hatte der Schlüsselakteur Dieter Kunzelmann im Rahmen einer „Palästinareise“ erste direkte Kontakte zu arabischen Guerillas geknüpft. 2005 konnte Wolfgang Kraushaar mit dem Ex-Kommunarden Albert Fichter einen Kronzeugen dafür präsentieren, dass die erste Aktion des „bewaffneten Kampfes“, der misslungene Anschlag gegen das Jüdische Gemeindehaus in West-Berlin (1969), antisemitisch motiviert war.
1970 trainierten erstmals der historische „Kern“ der RAF in Ausbildungslagern in Jordanien. In weiterer Folge kam es zu Ausbildungshilfe und Waffenlieferungen für deutsche Terrorgruppen, während diese im Gegenzug Auftragsarbeiten durchführten. Vor allem der „internationale“ Flügel der RZ leistete Wadi Haddad direkte Hilfe: Beim Raketenanschlag auf ein El Al-Flugzeug am Pariser Flughafen Orly (1975), beim Überfall auf die OPEC-Konferenz in Wien (1975) sowie während der Entführung eines Air France-Flugs nach Entebbe (1976).
Dafür, dass Linksterroristen schon 1972 bei dem Olympia-Attentat Hilfe leisteten, gibt es verschiedene Hinweise. In einem Interview von 1978 behauptete das ehemalige RZ-Mitglied Hans Joachim Klein, dass RZ-Chef Wilfried Böse „seine Finger drinnen“ hatte: „Er war es, der die Typen in München empfangen hat.“ Ein anderes Mal sagte Klein, dass die RZ dem „Schwarzen September“ „logistische Hilfe“ zukommen ließen – bei der „Quartiermache“. Auch laut Bommi Baumann, einem der Mitbegründer der Bewegung 2. Juni, gab es eine solche logistische Hilfe: Die Waffen für den Überfall auf das Olympische Dorf seien in Schließfächern auf dem Ostberliner Teil des S-Bahnhofs Friedrichstraße zwischengelagert gewesen. „Von dort wurden sie von Leuten aus Westberlin abgeholt und gelangten so nach München.“
„Der Spiegel“ kam 2012 vielleicht etwas voreilig zum Schluss, dass keine linksextreme Beteiligung gegeben habe – sehr wohl aber von rechtsextremistischer Seite. Willi Pohl und Wolfgang Abramowski, Kameraden der „Nationalsozialistischen Kampfgruppe Großdeutschland“, chauffierten den Operationsleiter des „Schwarzen September“, Abu Daoud, quer durch die BRD, transportierten Waffen und fälschten Pässe. Pohl war bereits seit 1967 mit der Fatah in Kontakt und war zeitweise Sicherheitsoffizier in Beirut gewesen:
„Wir vereinbarten, dass die Palästinenser uns helfen würden und wir ihnen im Gegenzug die Chance geben, ihre Operationen in Europa durchzuführen. Ich gab Palästinensern, die sich damals in Europa aufhielten, Informationen. Ich gab Informationen, ich gab Geld, ich erhielt Geld. Ich beschaffte Waffen und all das was eine solche Organisation benötigt.“
Später plante Pohl im Auftrag von Abu Iyad terroristische Aktionen in der BRD, die zur Freipressung der überlebenden Münchner Attentäter dienen sollten: Dazu zählten Geiselnahmen im Kölner Dom und in Rathäusern deutscher Großstädte. Doch Ende Oktober 1972 wurden Pohl und sein Komplize festgenommen.
Es war Antisemitismus, der die Rechtsextremisten und die eigentlich linksgerichteten Palästinenser zusammenbrachte. Noch in den 1980er Jahren erzählte ein junger Neonazi einem Journalisten, dass seine Bewegung mit den Palästinensern „etwas gemeinsam“ habe: „Die waren auch gegen Juden. Ihre linke Ideologie haben wir so gedeutet, dass die PLO nicht von der Grundhaltung kommunistisch ist, sondern um von der Sowjetunion finanziert zu werden.“ Noch Anfang der 1980er Jahre trainierten Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) in einem Lager der Fatah im Südlibanon Handgranatenwerfen, Bombenfallen-Bau und Schießen. Ihre Gastgeber setzten sie als Kraftfahrer und zum Bunkerbau ein, weil die Deutschen als besonders „verlässlich“ galten. Die WSG zerstreute sich im Juni 1981 als der Anführer bei einem Aufenthalt in der BRD verhaftet worden war.
Spuren nach Wien: „Warten vergeblich auf Dich, Heil Dir“
Auch in Österreich gab es einen Konnex zwischen Rechtsextremisten und dem „Schwarzen September“. Nur wenige Monate nach dem Olympia-Attentat, im Februar 1973, wurde bei einem unter Terrorverdacht stehenden Neonazi Material gefunden, das auf den ersten Blick nicht ins klassische Schema passte: Eine umfangreiche Sammlung von Zeitungsausschnitten zu „palästinensischen Gewaltakten“ sowie Propagandamaterial der PLO. Die Plakate, Druckschriften und Broschüren hatte sich der damals 33jährige Gerhard B. aus Beirut auf ein Postfach der Filiale am Wiener Fleischmarkt schicken lassen. Man fand auch ein Hetz-„Gedicht“ gegen Nazi-Jäger Simon Wiesenthal wurden sichergestellt. O-Ton des Pamphlets: „Du Schakal. […] Zwanzig Jahre sind vergangen, sei zufrieden, zieh den Strich, sonst entfesselst Du die Wut. Durstig lächst (sic!) das Deutsche Volk ungestillt nach Juden-Blut.“
Ins Auge stach den Staatspolizisten weiters ein Münchner Stadtplan mit zwei Markierungen sowie eine Postkarte aus dem Hofbräuhaus. Darauf stand kryptisch: „Warten vergeblich auf Dich, Heil Dir“. Die Erklärung des Mannes: Er sei während der letzten beiden Tage der Olympiade in München gewesen und angeblich kam ein vereinbarter Termin mit Bekannten nicht zustande. Dass dies verdächtig vorkam, belegt ein Dokument der Schweizer Bundesanwaltschaft vom Juni 1973. Diese führte damals gemeinsam mit Wiener Stellen eine Untersuchung zu den Logistikstrukturen des „Schwarzen September“ durch. Unter anderem wird B. erwähnt:
„Die Hausdurchsuchung bei ihm ergab, dass er EL-FATAH und OLP [PLO]-Propagandamaterial bei sich aufbewahrte. War während der Olympischen Spiele in München.“
Gerhard B., ein Anhänger von Norbert Burgers Nationaldemokratischer Partei (NDP), war eine vielschichtige Persönlichkeit. Der Sohn eines britischen Besatzungssoldaten hatte einige Jahre im libyschen Benghazi gearbeitet und zwar bei BP und einer Handels- und Transportfirma. Infolge des Sechstagekrieges zwischen Israel und arabischen Staaten (1967) verlor B. seine Anstellung und musste das Land verlassen. Zurück in Wien gründete er eine Import-Export-Firma, die geschäftlich „nicht sehr erfolgreich“ war. Weiters engagierte sich B. politisch, indem er die periodisch die Druckschrift „Umwelt“ herausgab. In einem Entwurf mit dem Titel „Programm der Umwelt“ vermerkte B.: „Aufstellung eines schlagkräftigen Partisanenheeres nach nordvietnamesischen und chinesischen Muster.“ Dies sei aber nur eine „Anregung“ gewesen, um die Vorteile des Partisanenkampfs gegenüber konventioneller Kriegsführung darzustellen.
1971 lernte B. den Wiener Kontaktmann des „Schwarzen September“, Zuhair Shibl (alias „Abu Abed“), kennen. In dem bereits zitierten Schweizer Bericht heißt es zu seiner Person:
Angeblich wollte B. 12.000 Tausend Rinder nach Libyen verkaufen und Shibl bot an, dafür seine Kontakte spielen zu lassen. Tatsächlich brachte B. Shibl mit seinem Gesinnungsgenossen Harald E. von der NDP zusammen. Dabei ging es darum, die bereits erwähnte Operation des „Schwarzen September“ in Schönau zu unterstützen. E. war es, der ein Attentäter-Team bei sich zuhause in der Großfeldsiedlung beherbergte und es dann an die italienische Grenze chauffierte, nachdem das Vorhaben gescheitert war. Ein Gerichtsverfahren gegen B. in dieser Sache wurde eingestellt, während man E. aus Mangel an Beweisen freisprach.

Punkt, „an dem der Terror begann“
Unzweifelhaft spielten die Ereignisse von München eine große Rolle bei der weiteren Herausbildung des „internationalen Terrorismus“. Die palästinensischen Gruppen fungierten überhaupt als wichtige Ideengeber, Ausbildner und Unterstützer verschiedenster Organisationen, die die 1970er und 1980er Jahre dominierten. Vor allem hat das Olympia-Attentat exemplarisch vorgeführt, wie man durch einen Angriff auf ein symbolträchtiges Ziel geballte mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann. In diesem Sinne war das Ereignis tatsächlich der Punkt, „an dem der Terror begann“ – wie es 2002 das „Time“-Magazin formulierte.