Wie die „Cobra“ giftig wurde

Vor 40 Jahre, im Herbst 1977, erschüttert der Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) die Bundesrepublik Deutschland: Prominentestes Opfer ist Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, der entführt und später ermordet wird. In Österreich löst das Nervosität aus. Allen voran Bundeskanzler Bruno Kreisky befürchtet ein Übergreifen der Gewalt – auch deshalb, weil die Republik schlecht darauf vorbereitet ist. Innerhalb weniger Monate kommt es zu einer grundlegenden Wende in der Sicherheitspolitik: Bereits am 1. Jänner 1978 verfügt Österreich mit dem Gendarmerieeinsatzkommando (GEK), dem heutigen Einsatzkommando Cobra (EKO Cobra), über eine professionelle Antitterroreinheit. Lange unter Verschluss gehaltene Dokumente ermöglichen erstmals einen detaillierten Einblick in Gründungsgeschichte der „Cobra“.

Diese beginnt Anfang der 1970er Jahre: Am 1. Mai 1973 war das Gendarmeriekommando Bad Vöslau (GK Bad Vöslau) aus der Taufe gehoben worden. Seine Aufgabe war der Schutz jüdischer Auswanderer aus der Sowjetunion, für die Österreich das Transitland nach Israel war. Obgleich schon zu diesem Zeitpunkt viel von dem geleistet wurde, was zum Aufgabengebiet einer Antiterroreinheit gehört, handelte es noch um keinen Spezialverband. Im Einsatz waren Freiwillige aus dem gesamten Bundesgebiet, die für drei Monate zugeteilt werden durften (oder einer Verlängerung selbst zustimmten).

Wie die „Cobra“ zu ihrem Namen kam

Medien waren kurz nach der Gründung auf das GK Bad Vöslau aufmerksam geworden und bedachten es mit martialischen Spitznamen. Am 6. Juni 1973 titelte der Redakteur der „Kronen Zeitung“, Hans Peter Hasenöhrl:

„Mit Aktion Kobra gegen den Terror.“ 

Inspiration war die damals populäre US-amerikanischen Krimiserie „Kobra übernehmen Sie“ (Originaltitel: „Mission: Impossible“). Die Leute von der „Kobra“, schrieb Hasenöhrl gemünzt auf das GK Bad Vöslau, seien „Tag und Nacht unterwegs“:

„Auf Knopfdruck sind die Mannschaften dort, wo sie benötigt werden. Das Wichtigste: Das Sonderkommando soll abschreckende Wirkung haben, damit ein Angriff der Terroristen von vornherein unterbleibt.“

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Der namensgebende Artikel in der Kronen Zeitung vom 6.6.1973

„Häufchen unterzahlter Landgendarmen“

Am 1. September 1974 übersiedelte die Einheit unter der neuen Bezeichnung Gendarmeriebegleitkommando Wien in die Burstyn-Kaserne in Zwölfaxing. Der Personalstand betrug allerdings nur mehr 32 Beamte. Erst zwei Jahre später wurde auf insgesamt 44 Beamte erhöht. Das Sonderkommando, so sein langjähriger Kommandant Johannes Pechter, war innerhalb der Gendarmerie „ein von nicht allen geliebtes Kind geblieben und man dachte sogar an seine Auflösung“.

Laut dem Kriminalisten Richard Bender war „sowohl die Unterbringung der Truppe (Blechbaracken des Bundesheeres in Zwölfaxing ), deren Ausrüstung, als auch deren Ausbildung […] katastrophal.“ Neben Freiwilligen seien auch turnusweise Gendarmen aus dem ganzen Bundesgebiet abkommandiert worden:

„Dass diese Beamten teilweise ihre Ausrüstung (Pistole und MP) vom Heimatposten mitnehmen mussten und dadurch diesen teilweise entwaffneten, war ein beachtenswerter und unbefriedigender Aspekt.“

So überrascht es auch nicht, dass die „Wochenpresse“ noch im Herbst 1977 meldete:

 „Hinter dem gefährlich klingenden Namen ‚Kobra‘ verbirgt sich ein Häufchen kaum trainierter, schlecht ausgerüsteter, unterbezahlter Landgendarmen. Präzis: 42 Mann. Zum Großteil aus Niederösterreich und aus dem Burgenland. Die diensteifrigsten zwischen 25 und 35 Jahre alten Beamten haben sich freiwillig zur Sondereinheit gemeldet. Für mindestens drei Monate, ehe sie wieder auf ihren Dienstposten zurückkehren. Nur einige wollen länger bleiben. Etwa dann, wenn sie in ihrem Ort während einer Volksfestflaute abkömmlich sind.“

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„Chancenlose Landgendarmen“ – so urteilte die Wochenpresse am 2.11.1977

„Es gibt keinen Terror in Österreich“

Auf politischer Ebene hatte es lange Zeit kein Interesse an einer weiteren Aufrüstung bei der inneren Sicherheit gegeben. Noch im September 1975 hatte Innenminister Otto Rösch zu Forderungen nach einer „Anti-Terrorgruppe“ gesagt, „es gebe erfreulicherweise keinen Terror in Österreich“. Das änderte sich im Herbst 1977: Wie aus den persönlichen Aufzeichnungen von Handels-, Gewerbe- und Industrieminister Josef Staribacher hervorgeht, erwartete Kreisky schon kurz nach Schleyers Entführung, am 12. September 1977, „dass die Presse ihn fragt, wie es jetzt in Österreich mit dem Terrorismus weitergehen wird“. Innenminister Erwin Lanc

„müsste sich jetzt den Kopf zerbrechen, wie wir gegebenenfalls Maßnahmen in Österreich treffen, die sich von den deutschen wesentlich unterscheiden müssen. Vielleicht ist es zweckmäßig, so wie bei der Gendarmerie auch bei der Polizei eine besondere Abteilung für Terrorbekämpfung zu errichten.“

Bis es soweit war, wurde die Öffentlichkeit beruhigt. Am 20. Oktober 1977 versicherte Kreisky bei einer Klausur des SPÖ-Parlamentsklubs in Villach: „Auch Österreich ist gegen Terror gerüstet“. Es gelte,

„alles zu tun, um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, jedem klarzumachen, dass er mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zur Abwehr der Aktion wird rechnen müssen.“

Über entsprechende Kräfte verfüge man bereits, allerdings müsse man diese noch vorbereiten:

„Ich kann mir nur wünschen, dass ich niemals in die Lage komme, von ihnen einen solchen Einsatz zu verlangen.“

Als wenig später ein „profil“-Journalist im Interview kritisch anmerkte, Österreich würde im Gegensatz zur BRD doch nur über „ein paar schlecht ausgebildete Gendarmeriebeamte“ verfügen, räumte Kreisky ein:

„Diese Truppe ist erst im Aufbau. Wir werden sie verstärken, am Beispiel ausländischer Erfahrungen schulen und für den Ernstfall vorbereiten.“

An den bereits erwähnten Ausspruch von Rösch erinnert, wonach Österreich keine Spezialeinheit brauche, stellte Kreisky fest:

„Jetzt sage ich Ihnen: Wir brauchen diese Truppe. Und die Regierung wird alles tun, um sie so stark und schlagkräftig als möglich zu machen.“

„Die meinen uns damit“

Beim Gendarmeriebegleitkommando Wien war man überrascht, am 23. Oktober 1977 im „Kurier“ zu lesen, dass Österreich eine „Spezialtruppe“ zu Verfügung habe, „die notfalls gegen Terroristen eingesetzt werden kann“. Mit der deutschen GSG 9 [Grenzschutzgruppe 9] lasse sich „unsere Cobra“ aber nicht vergleichen – diese sei „nur mäßig giftig“. Nach der Lektüre meinte der stellvertretende Kommandant Kurt Werle ungläubig zu Pechter:

„Die meinen uns damit. Da müssen wir etwas tun und im Ministerium nachfragen, wie das sein soll.“

Zum Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Robert Danzinger, sagten sie wenig später:

„Das ist schon ein bisschen deftig. Da hätten wir einiges zu tun, um das überhaupt zu rechtfertigen.“

Dessen Reaktion, so Werle, war:

„‚Meine Herrn, setzen Sie sich hin und machen Sie ein Konzept‘ – was wir gemacht haben.“

Input dafür holte man sich durch eine Studienreise ins Ausland. Am 7. November 1977 fuhren Pechter und Ministerialrat Armin Hermann für zwei Tage in die BRD: „Das war der erste Kontakt zur GSG 9 und zu ihrem Kommandanten Ulrich Wegener.“ Ausgerechnet am Rückreisetag der beiden Emissäre, am 9. November 1977, schlug der Linksterrorismus tatsächlich in Österreich zu: Angehörige der westdeutschen Bewegung 2. Juni, einer neben der RAF agierenden Gruppe, entführten in Wien den Unternehmer Walter Palmers.

Bundesgrenzschutz, GSG 9
Vorführung der GSG 9 1978 (Quelle: Bundesarchiv/Wikimedia Commons)

„Keine Insel der Seligen“

Es handelte sich um eine „unpolitische“ Geldbeschaffungsaktion, die innerhalb von knapp 100 Stunden durch die Übergabe von rund 31 Millionen Schilling (ca. 2, 4 Millionen Euro) bereinigt werden konnte. Dennoch bedeutete das Ereignis einen Einschnitt: War Terrorismus zuvor vor allem von ausländischen Akteuren auf österreichischem Boden verübt worden, hatten diesmal einheimische Linksextreme die Entführer logistisch und operationell unterstützt. Erneut wurde deutlich, dass sich Österreich nicht von internationalen Entwicklungen abkoppeln konnte. In Anspielung auf ein Zitat von Papst Paul VI. stellte Kreisky gegenüber der „Presse“ fest:

Es gibt keine Insel der Seligen. Kleine Staaten, in denen es sehr viel Bewegungsfreiheit gibt, sind, wie sich am Beispiel Holland zeigt nicht frei von solchen Gefahren.“

Die Exekutive hatte während der Palmers-Entführung keine gute Figur gemacht: Die technische Ausrüstung hatte sich als mangelhaft erwiesen (zu wenig Telefone, Dienstautos); Kompetenzstreitigkeiten zwischen der Staatspolizei (Innenministerium) und der Kriminalpolizei (Sicherheitsbüro) hatten gelähmt, während die Familie Palmers den Austausch einfach an den Behörden vorbei durchführte. Nicht umsonst hatte Danzinger, schon Anfang 1977 geklagt, dass man bei Terroranschlägen „nur reagieren, kaum agieren“ könne.

Aufbau des Gendarmerieeinsatzkommandos

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Der Aufbau einer Antiterroreinheit sollte hier endlich Abhilfe schaffen – in Form eines „Upgrades“ des bestehenden Gendarmeriebegleitkommandos Wien zum Gendarmerieeinsatzkommando (GEK). Erst kürzlich freigegebene Dokumente erlauben einen Einblick in diese Konzeptionsphase. Demnach kamen am 5. Dezember 1977 unter dem Vorsitz Danzingers alle berührten Stellen des Innenministeriums zu einer Koordinierungsbesprechung zusammen. Danzinger hielt bei dieser Gelegenheit fest:

„Aus mehreren wohlüberlegten Gründen scheint es zweckmäßiger, nur Gendarmeriebeamte heranzuziehen. Die Zustimmung der Bundesregierung zur Aufstockung des dzt. Gendarmeriebegleitkommandos auf 127 Beamte liegt vor. […] Die Mindestverwendungsdauer beim GEK sollte nicht unter zwei Jahren liegen.“

Ein Sitzungsteilnehmer warf ein:

„Bei der Auswahl der Beamten müsse auch darauf Bedacht genommen werden, dass Beamte mit Familie von Terroristenkreisen durch Drohungen unter psychischen Druck gesetzt werden könnten.“

Wenige Wochen darauf, am 19. Dezember 1977, wurde unter dem Vorsitz Hermanns der Entwurf der Ausbildungsvorschrift diskutiert.

„Pro Jahr stehen insgesamt 600 Ausbildungsstunden zur Verfügung, für die Grundschulung in den ersten 3 Monaten sind 180 Stunden vorgesehen. Ausgehend von einer Mindestzuteilung von 2 Jahren für die Beamten des GEK wären ca. 350 Stunden für die Ausbildung in der Handhabung von Waffen und technischen Geräten erforderlich. […] Die Altersgrenze für GEK-Beamte könnte zwischen 22 und 40 Jahren liegen. In der Grundausbildung wird durch den Umstand, dass der körperlichen Ertüchtigung besonderes Gewicht zukommt, bereits die Ausscheidung von ihrer körperlichen Konstitution nach ungeeigneten Beamten möglich sein. Auch lässt sich im Rahmen der praktischen Ausbildungsübungen jedenfalls eine psychologische Erprobung der Beamten durchführen.“

Die Ausbildung sollte in zwei Phasen erfolgen:

„Im ersten Ausbildungsabschnitt, der sogenannten ‚Grundschulung‘, sollen die neu hinzugekommenen Beamten möglichst rasch mit ihren Aufgaben vertraut gemacht und überdies ihre physische und psychische Belastbarkeit festgestellt werden. Im folgenden Ausbildungsabschnitt wären die körperlichen und geistigen Fähigkeiten weiter zu verbessern.“

Die Grundschulung war mit 180 Unterrichtsstunden bemessen und umfasste Waffenhandhabung, Fahr- und Sprechfunktechnik, Sport und Fortbildung. Konkret sollten im Bereich Einsatztaktik vermittelt werden: Orientierung (Karte und Bussole), Bewegungsarten, Instellunggehen, Führen nach Zeichen, Beobachtungs- und Meldedienst, Personen- und Kfz-Kontrolle, Durchsuchen von Wohnungen, Gebäuden, Personen und Sachen, „gewaltsame Inbesitznahme von Objekten, die durch Gewalttäter besetzt sind“ sowie Sicherung von Personen und Objekten. Ein weiterer Gegenstand sollte „der Terrorismus und seine Erscheinungsformen“ sein. Die Lehraufgabe war die „Vermittlung der Kenntnisse über das Wesen, die Zielsetzung und die Methoden des Terrorismus“.

Konkrete Themen waren „Entstehung und Entwicklung, nationale Erscheinungsformen des Terrorismus, internationaler Terrorismus, Einsatzgrundsätze.“ Der Entwurf des Curriculums umfasste weiters eine „Einführung in die Psychologie“ (Verhalten „unter der beim Einsatz auftretenden besonderen psychischen Belastung“, „Leitsätze für das Verhalten“, „Abbau von Aggressionen“, „Täterpsychologie“ und „Verhalten in Stresssituationen“).

Besonderes Augenmerk wurde einerseits der Sport- und Körperausbildung gewidmet (unter anderem Krafttraining, Hindernisturnen und Judo) und andererseits dem Fernmeldewesen (ausreichende Sicherheit bei der Bedienung und Verkehrsabwicklung von Sprechfunkgeräten sowie „Kenntnis der Wirkungsweise von Abhöreinrichtungen“). Schließlich war noch Erste Hilfe „auch unter erschwerten Bedingungen“ ein wichtiger Punkt.

Es wurden auch die Kriterien in Sachen Personalauswahl konkretisiert:

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Ein weiteres Thema war die Zusammenarbeit mit ausländischen Spezialkräften zwecks Schulung. Hermann erklärte hierzu:

„Seitens der GSG 9 wurde das Angebot gemacht, einige Beamte des GEK bei der GSG 9 auszubilden. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob es zweckmäßig ist, von diesem Angebot Gebrauch zu machen. Interessant wäre auch ein Kontakt zur britischen SAS [Special Air Service], die über langjährige Erfahrung in der Terroristenbekämpfung verfügt und einen ganz ausgezeichneten Ruf hat.“

Pechter meinte, man könnte doch

„einige leitende und dienstführende Beamte des GEK für wenige Tage zur GSG 9 entsenden, um einen gewissen Einblick in Aufbau und Tätigkeit dieser Einheit zu bieten, ebenso könnten vielleicht einzelne Instrukteure zum GEK eingeladen werden.“

Laut Protokoll antwortete Hermann:

„Vorteilhaft scheint es, nach Anlauf des Ausbildungsprogramms beim GEK einen Experten aus dem Ausland einzuladen, um von diesem ein Urteil über Zweckmäßigkeit und Qualität der Ausbildung des GEK zu erhalten.“

Das Gendarmeriezentralkommando erstellte eine 18seitige Studie dazu, wie man sich den personellen und materiellen Bedarf des GEK vorstellte. Unter anderem hieß es:

„Die für die intensive Schießausbildung bereitzustellende Munitionsmenge muss entsprechend groß sein. Aufgrund der beabsichtigten Diensteinteilung kann gerechnet werden, dass jeder Beamte etwa an jedem 4. Tag an der Schießausbildung mit den Standard-Waffen teilnimmt. Die vom GEK beantragten sonstigen Einsatzmittel, wie Schutzwesten, Schutzmasken und Tränengasmittel, Stahlhelme besonderer Art (‚Springerhelme‘), Kampfmesser, Ferngläser und Steigleitern erscheinen notwendig bzw. zweckmäßig.“

Das GEK wurde dann mit 1. Januar 1978 offiziell installiert und nahm am 1. April 1978 den Betrieb auf. Allerdings musste noch umfangreiche Aufbauarbeit geleistet werden. Was die Unterkunft anging, so fiel die Wahl auf das drei Jahre leer gestandene Schloss Schönau. Es wurde am 14. Februar 1978 bezogen und danach mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen Schilling adaptiert (unter anderem wurden eine eigene Sanitätsstation sowie Kommando-, Unterkunfts- und Freizeiträume eingerichtet). Ende 1978 nannte ein Bericht der „Presse“ das so umfunktionierte Schloss

„eine Heimstätte, deren äußeres Idyll durch ein Stacheldrahtdickicht verborgen wird, um die Tag und Nacht schwerbewaffnete Doppelposten ziehen. In der jede Sekunde die Alarmsirene losheulen kann (und oft genug auch tut), in der es – auch in der spärlichen Freizeit – keinen Tropfen Alkohol gibt, eine zweite Heimstätte, von der nur alle zwölf Tage ein kurzer Abstecher zur Familie erlaubt ist.“

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Eingang zum Schloss Schönau heute (Quelle: Autor)
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Planskizze des Schloss Schönau aus dem Akt zum Aufbau des GEK

Der anvisierte Personalstand konnte erst am 1. September 1978 erreicht werden. Es wurden ausschließlich Freiwillige aufgenommen, die sich einem rigiden körperlichen und psychologischen Auswahlverfahren unterziehen mussten. Insgesamt wurden in dieser Anfangsphase 70 Millionen Schilling investiert. Teile der technischen Ausrüstung konnten freilich nur Schritt für Schritt angeschafft werden. Als die GEK-Leute Mitte November 1978 vor Journalisten ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis stellten, war das Echo durchwegs positiv. Laut „Kronen Zeitung“ war eine „Kopie des erfolgreichen BRD-Grenzschutzkommandos“ geschaffen worden – eine „GSG-Ö sozusagen“.

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Bericht in der Arbeiter-Zeitung zu GEK-Übung am 21.10.1979 (Quelle: arbeiter-zeitung.at)

„Wir beneideten diese Truppe“

Ende August 1978 besuchte der Kommandant der GSG 9, Wegener, selbst das GEK. Noch in seinen Memoiren (2017) zeigte er sich beeindruckt:

„Als Kommandeur der GSG 9 sah ich mir damals diese Einheit an, nachdem Männer vom Einsatzkommando Cobra bei uns trainiert hatten. Wir hatten einen guten Austausch, sodass ich ihnen Ideen geben und gleichzeitig Anregungen mitnehmen konnte. Wir beneideten diese Gruppe, weil sie finanziell viel besser gestellt war als wir. So eigenartig das klingen mag, aber die Regierung war dort in diesem Bereich sehr viel großzügiger.“

Die „Feuertaufe“ sollte das GEK nicht im Einsatz gegen Terroristen erleben: Am 16. Juni 1980 hatte der 35jährige jugoslawische Gastarbeiter Josef Kis-Lukac, bewaffnet mit einer vollautomatischen Schrotflinte, in der Ordination eines Hautarztes in der Grazer Annenstraße 23 Geiseln genommen. Laut Pechter übernahm das GEK von der Polizei schließlich die Sicherung im Stiegenhaus:

„Der Herr Innenminister hat mit dem Geiselnehmer persönlich verhandelt und ihm zugesichert, dass kein Einschreiten von Seiten der Exekutive erfolgen wird. Dann hat sich nach 20 Stunden ein Schuss gelöst. Das war für unsere Beamten das Zeichen, in die Ordination einzudringen.“

Der Geiselnehmer wurde erschossen, die festgehaltenen Geiseln unverletzt befreit – nur eine Arztgehilfin hatte einen Streifschuss am Bein erlitten.

In den 1980er Jahren hatten die Innenminister Karl Blecha und Franz Löschnak den Ausbau des GEK vorangetrieben. Das Personal wurde weiter aufgestockt: Von 142 Beamten (1980) auf 160 (1990). 1985 stellte man die ersten Weichen für die Errichtung einer modernen Ausbildungs- und Einsatzzentrale in einem Föhrenwald neben dem Wiener Neustädter Flugplatz. Das 650 Millionen Schilling teure Projekt wurde 1992 nach einer Bauzeit von zwei Jahren fertig gestellt.

Die letzte große Umwälzung brachte die 2002 gestartete Polizeireform: Die bis dahin bestandenen 23 unterschiedlichen Sondereinheiten wurden neu organisiert – das GEK, die Mobilen Sondereinsatzkommandos der Bundespolizeidirektionen (MEK), die Sondereinsatzgruppen des Landesgendarmeriekommandos (SEG) und die Einsatzeinheiten der Gendarmerie (EE) wurden unter der nunmehhr offiziellen Bezeichnung Einsatzkommando Cobra (EKO Cobra) verschmolzen. Damit war die Genese der „Cobra“ abgeschlossen.

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Abzeichen des EKO Cobra (Quelle: Wikimedia Commons)

HINWEIS: Zum Thema ist am 29. 10. 2017 ein Beitrag des Autors in der Presse am Sonntag erschienen

http://diepresse.com/home/zeitgeschichte/5310938/Wie-aus-ein-paar-Landgendarmen-die-Cobra-wurde

Ebenso in der Ausgabe Nr. 1/2013 des Journals for Intelligence, Propaganda and Security Studies

http://www.bmi.gv.at/207/Publikationen/files/Aufbau_ATK.pdf