Jan Marsalek und die russischen Geheimdienste

Jan Marsalek war Chief Operating Officer (COO) und Vorstandsmitglied des Internet-Zahlungsanbieters Wirecard. Gegen den gebürtigen Wiener wurde in der Causa rund um den Zusammenbruch des einstigen deutschen Fintech-Vorzeigeunternehmens Anklage erhoben. Marsalek ist seit 2020 flüchtig und wird verdächtigt, Geldwäsche und Bilanzfälschung mit einer Schadenssumme von 1,9 Milliarden Euro betrieben zu haben. Er wird in Russland vermutet.[1] Marsalek war aber nicht nur ein mutmaßlicher Wirtschaftskrimineller, sondern wurde auch eng mit Geheimdiensten in Zusammenhang gebracht. Er selbst hatte ein ausgeprägtes Faible für die Welt der Spionage. „James Bond war sein Ding“, sagte ein Bekannter des flüchtigen Managers, „Geheimdienste seine Faszination.“[2] Auch ein Arbeitskollege schilderte Marsalek als „James-Bond-Typ“.[3] Der genaue Hintergrund von Marsaleks Geheimdienst-Connection ist bis heute ungeklärt. Dieser Beitrag nimmt eine Bestandsaufnahme vor und präsentiert neue Erkenntnisse aus österreichischen und internationalen Archiven.

2023 erhob ein britisches Gericht den Vorwurf, Marsalek habe sich zwischen dem 30. August 2020 und dem 8. Februar 2023 „verschworen“, um Informationen zu sammeln, die „dem Interesse und der Sicherheit des Staates schaden“.[4] In besagtem Zeitraum sei Marsalek mit fünf bulgarischen Staatsbürgern in Kontakt gestanden, die im Verdacht stehen, für Russland spioniert zu haben. Marsalek habe dem Anführer des Rings via Telegram Aufträge erteilt. Dabei sei es unter anderem um die Beschaffung von militärischer Ausrüstung, das Beschatten von bestimmten Zielpersonen und das Abhören von Kommunikation gegangen. Im Raum steht, dass für letzteres Logdateien für SS7 genutzt wurden. Dabei handelt es sich um den weltweiten Standard für Fest- und Mobilfunknetze. Das SS7-System legt fest, wie Netze und Endgeräte miteinander kommunizieren. Zugang dazu erhalten Mobilfunkanbieter – weshalb russische Akteure in ganz Europa Internet- und Mobilfunkfirmen gegründet haben, die in Wirklichkeit nur den Zweck dienen, Türen in SS7 zu öffnen. Denn dort lassen sich Orts- und Verbindungsdaten, sogar SMS und Gesprächsinhalte auslesen.[5]

Ein Großteil der Aktivitäten des bulgarischen Spionagerings soll sich außerhalb Großbritanniens abgespielt haben. So ging um das Auskundschaften eines NATO-Stützpunkt in Deutschland. Auch die kasachische Botschaft in London soll Ziel von Bespitzelung gewesen sein.[6]

Medienrecherchen haben außerdem 2024 weitere Belege dafür erbracht, dass Marsalek seit mindestens 2014 mit einflussreichen Personen aus dem russischen Militär- und Geheimdienstumfeld zu tun hatte. Diese Kreise assistierten auch bei seiner Flucht 2020 und halfen bei der Ausstattung mit falschen Identitäten.[7]

Der vorliegende Beitrag nimmt eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse vor. In Ermangelung anderer verfügbarer Quellen, wurden in erster Linie Medienberichte ausgewertet. Diese sind selbstverständlich unter Vorbehalt zu betrachten und es gilt die Unschuldsvermutung.

Aber nach Meinung des Autors gibt die Informationslage Anlass dazu, die These aufzustellen, dass Marsalek für die russischen Geheimdienste zunächst die Funktion eines „Einflussagenten“ erfüllt haben könnte. Dieser Begriff ist eine Übersetzung aus dem Russischen („agent vlyiyannia“) und bezeichnet einen Agenten-Typus, der nichts mit der herkömmlichen Erscheinungsform zu tun hat. Im Englischen wird alternativ von einem „asset“ gesprochen. Während etwa Geheim- und Nachrichtendienstoffiziere unter diplomatischer Abdeckung in einer Legalresidentur stationiert sind, arbeiten Einflussagenten oder „assets“ informell. Ihre Beziehung zum Geheimdienst kann einen sozialen, beruflichen oder freundschaftlichen Hintergrund haben. Aber es gibt keinerlei offiziellen Link, weshalb der Geheimdienst jede Verbindung glaubwürdig abstreiten kann. Einflussagenten können beispielsweise Journalisten, Lobbyisten, Beamte oder Manager wie Marsalek sein. Ihre Mission ist es, russischen Einfluss durch die Verbreitung von Desinformation, Kompromittieren von Entscheidungsträgern und die Schwächung von westlichen demokratischen Systemen zu stärken.[8]

Ein Beispiel für eine Einflussagentin war die russische Staatsbürgerin Maria Butina, die die National Rifle Association (NRA) infiltriert und versucht hatte, einen Kommunikationskanal zwischen der Trump-Regierung und Moskau einzurichten. Sie war im russischen Interesse tätig – ohne selbst Agentin oder dafür ausgebildet zu sein. Das kann so weit gehen, dass der bestreffenden Person gar nicht bewusst ist, dass sie von einer fremden Macht manipuliert oder abgeschöpft wird („useful idiot“). Die zunehmende Bedeutung von Einflussagenten/assets spiegelt eine generelle Entwicklung in Sachen russischer Spionage wider. Diese nimmt laut US-amerikanischer Einschätzung zunehmend einen taktischen Charakter an, sprich man ergreift jede Chance, die sich bietet.[9]

Marsalek könnte ein willentlicher Einflussagent gewesen sein, ehe er ab 2020 offenbar selbst die Leitung operativer Aufgaben übernahm. Das passt grundsätzlich ins Bild, denn laut Experten greifen die russischen Geheimdienste mittlerweile verstärkt auf die Dienste von Ausländern zurück. So wurde im April 2023 der des Technologieschmuggels verdächtige russische Staatsbürger Artem Uss mithilfe einer serbischen Verbrechergruppe aus Italien heimgeholt, bevor er an die USA ausgeliefert werden konnte.[10]

Marsalek fügt sich in dieses Muster ein. Im Rahmen dieses Artikels werden mehrere Indizien für seine mutmaßliche Tätigkeit für die russischen Geheimdienste zusammengefasst:

(1.) das für Spionage grundsätzlich attraktive Geschäftsmodell von Wirecard; (2.) Marsaleks auffallend enge Russland-Beziehungen; (3.) seine Vernetzungsarbeit in Österreich, die letztlich dazu führte, dass Amtsträger kompromittiert wurden und es zu einem Informations-Leak kam; (4.) seine Verwicklung in die „BVT-Affäre“, die ab 2018 den baldigen Niedergang des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) herbeiführte und (5.) Marsaleks gut organisierte Flucht sowie sein Exil in Russland. Darüber hinaus präsentiert dieser Artikel (6.) Archivquellen, die nahelegen, dass in Marsaleks Familiengeschichte nachrichtendienstliche Belange eine große und für ihn vielleicht prägende Rolle spielten.

Transaktionsdaten und Cybersicherheit

Marsalek eignete sich als Einflussagent zunächst deswegen, weil Wirecard- für Geheim- und Nachrichtendienste hochinteressant war. Mittels anonymer Prepaid-Kreditkarten von Wirecard konnte man Zahlungen verschleiern. Über die Jahre beglich der Bundesnachrichtendienst (BND) so operative Kosten in der Höhe von knapp 22.000 Euro.[11] Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) wiederum bezahlte Vertrauenspersonen (V-Leute) zwischen 2014 und 2020 in 33 Prozent aller operativen Kreditkarteneinsätze mit Wirecard-Prepaid-Karten. Darüber hinaus konnte Wirecard ein „Fenster“ in die Schattenfinanz sein, wenn man die Möglichkeit hatte, Transaktionsdaten abzuschöpfen.

2019 soll Marsalek bei der Technologie-Vorständin von Wirecard einen kompletten Jahresdatensatz der Wirecard-Geschäftspartner angefordert haben. Er begründete dies damit, diesen an den BND weiterleiten zu wollen. Dieser will die Daten aber weder bestellt noch erhalten haben.[12] Und nicht nur das – im Wirecard-Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags meinte BND-Präsident Bruno Kahl, dass sich sein Dienst „gemäß seines gesetzlichen Auftrags weder mit dem Unternehmen Wirecard noch mit der Person des Herrn Marsalek befasst“ habe. Auch hätte sich Wirecard „zu keinem Zeitpunkt mit der Bitte um Beratung an den BND gewandt“. Außerdem hätten dem BND vor der Insolvenz von Wirecard und der Flucht Marsaleks „weder zu Wirecard noch zu Jan Marsalek Hinweise vorgelegen, die einen möglichen Bezug zu ausländischen Nachrichtendiensten thematisiert hätten“.[13] Auch der ehemalige Direktor des BVT, Peter Gridling, offenbarte 2023, dass er im Rückblick zu Marsalek „überhaupt keine Wahrnehmung habe“.[14]

Das ist umso überraschender, weil Marsalek zweifellos ein „Geheimnisträger erster Güte“ war. Er konnte Informationen über Zahlungsflüsse und die dahinterstehenden Personen liefern und bekundete offen, mit der US-amerikanischen CIA, den britischen, kanadischen, australischen und neuseeländischen Diensten, dem BND und dem Mossad zusammengearbeitet zu haben.[15] Der Journalist Felix Holtermann zitierte dazu einen russischen „Insider“: „Jan sagte, Wirecard stellt für alle möglichen Geheimdienste Kreditkarten her, liefert Informationen über Zahlungsflüsse und zur Frage, welche Personen hinter den Transaktionen stecken.“[16]

Jahrelang soll Marsalek die Wirecard-Bank, das konzerneigene Geldhaus, dafür benutzt haben, um speziell russischen Klienten Zugang zum westlichen Bankensystem verschaffen. Das BKA hat eine Liste mit russischen Namen sichergestellt, die Marsalek für das Kreditinstitut als Kunden gewonnen hat.[17] Beispielsweise ließ Marsalek für die Firmengruppe des ukrainischen Oligarchen Dmitri Firtasch 2019 bei der Wirecard-Bank 15 Konten einrichten. Zuvor war Firtasch von seiner Stammbank vor die Tür gesetzt worden.[18]

Weiters hatte Marsalek Zugang in höchste sicherheitspolitische Kreise: Ein ehemaliger Koordinator der deutschen Nachrichtendienste, Bernd Schmidbauer (CDU), traf Marsalek am 18. November 2018, um mit ihm Themen zu besprechen, „die auch die Sicherheit unseres Landes betroffen haben, und da wollte ich mich kundig machen“. Das Gespräch habe zwei bis drei Stunden gedauert und in der Münchner Villa Marsaleks stattgefunden.[19] Später meinte Schmidbauer im Widerspruch zur Aussage von Kahl: „Jeder Nachrichtendienst, der etwas auf sich gehalten hat, muss Marsalek auf dem Schirm gehabt haben; denn er hat sie ja benutzt. […] Aber wenn ich meine Erfahrung sagen darf, dann wären die Dienste ja blöd gewesen, wenn sie nicht die Dienste genutzt hätten, die er hätte anbieten können.“[20]

Ein weiterer Ex-Koordinator, Klaus-Dieter Fritsche (CSU), war als Lobbyist für Wirecard tätig. Fritsche beriet zeitgleich das österreichische Innenministerium in Sachen Reform des Verfassungsschutzes.[21] Darüber hinaus war Marsalek auf dem Policy Innovation Form der Münchner Sicherheitskonferenz. Er war mit dem Vorsitzenden des Supervisory Boards der Beratungsfirma Agora Strategy verabredet, über die Rüstungsdeals mit Saudi-Arabien eingefädelt wurden.[22] Gemeinsam mit einem Kommunalpolitiker der CSU München veranstaltete Marsalek sogar selbst sicherheitspolitische Dialoge, unter anderem zu den Themen Libyen und Ukraine.[23]

Im Rahmen seiner Kontakte zu Politikern und Behördenvertretern lobbyierte Marsalek oft für Überwachungssoftware und Spionage-Tools kommerzieller Anbieter, die eine Russland-Nähe aufweisen und trotzdem an öffentliche Aufträge in Sachen Cybersicherheit und Schutz kritische Infrastruktur kamen. So unterhielt Marsalek Verbindungen zur Firma Virtual Solutions, die in der BRD mehr als 40 Bundesbehörden schützt. Marsalek war dem Unternehmen dabei behilflich, Geschäftskontakte in Österreich anzubahnen und zwar just nach dem mutmaßlichen russischen Cyberangriff auf das österreichische Außenministerium Anfang 2020. Ein Deal kam aber nicht zustand.[24] Marsalek legte sich auch für die Firma Cyan ins Zeug, deren Tochter Cyan Networks von 2009 bis 2021 im Außenministerium für einen Teil der Cybersicherheit zuständig war.[25]

2018 bekam Marsalek von einem Vertrauten eine Firmenpräsentation der Decision Supporting Information Research Forensic GmbH (DSIRF) zugeschickt. Dieses seit 2016 in Wien angesiedelte Unternehmen ist unter anderem auf biometrische Gesichtserkennung spezialisiert und hat die Spionagesoftware „Subzero“ entwickelt.[26] In der Präsentation ist „auch von Kunden mit guten Russland-Kontakten die Rede, – darunter ‚Russian Machines‘, ein Unternehmen des Oligarchen Oleg Deripaska, mit dem wiederum der österreichische Investor Siegfried Wolf geschäftlich eng verbunden war“.[27]

2022 wurde die DSIRF von Microsoft beschuldigt, Sicherheitslücken an Hacker verkauft zu haben.[28] Der von DSIRF entwickelte Staatstrojaner Subzero soll illegal für Angriffe gegen Microsoft-Kunden in Europa und Zentralamerika genutzt worden sein. Zu den Opfern sollen rund zehn Anwaltskanzleien, Banken und Unternehmensberater in Ländern wie Österreich, dem Vereinigten Königreich und Panama gehört haben.[29] Verantwortlich soll ein „Ex-Mitarbeiter“ gewesen sein, der angeblich im Alleingang „ausprobieren“ wollte, ob die Software funktioniert.[30] Im Schlussbericht des Pegasus-Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments (2022) wurde DSIRF als „großer Spyware-Anbieter mit Sitz in Österreich“ genannt.[31] Außerdem warb die Firma in der Vergangenheit mit einem Büro in Moskau.[32] 2023 wurde der mediale Druck zu viel. Der DSIRF-Eigentümer stellte alle Investitionen im deutschsprachigen Raum ein. Die Firmen wurden geschlossen.[33]

In russischen Diensten?

In die USA reiste Marsalek „grundsätzlich nie“.[34] Dort war wegen verbotener Transaktionen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar gegen Wirecard vorgegangen worden. Aufgrund eines US-Rechtshilfeansuchens begann 2015 auch die Münchner Kriminalpolizei mit Ermittlungen gegen Marsalek und andere Topmanager des Konzerns. Aber 2018 wurde das Ansuchen wieder zurückgezogen.[35] Während Marsalek die USA aussparte, reiste er zwischen 2010 und 2020 mindestens 60mal nach Russland.[36] Laut Medienberichten verfolgte der FSB spätestens ab 2015 diese Reisebewegungen und speicherte Marsaleks Flugbuchungen.[37] Am 15. September 2017 wurde eine Ausreise als „verweigert“ gespeichert. Am Nachmittag des nächsten Tages durfte der Manager aber das Land verlassen. In der Zeit danach wurde in der Datenbank keine Einreisen Marsaleks mehr registriert, was als Indiz für die Arbeit Marsaleks für einen russischen Geheimdienst gewertet wird – etwa als Geldbote und Zahlungsabwickler.[38]

Geldwäsche gilt als Spezialität der russischen Geheimdienste. Laut Schätzungen wurden über die Danske Bank 230 Milliarden US-Dollar und über die Swedbank weitere 149 Milliarden US-Dollar gewaschen.[39] Wirecard wiederum war selbst tief in Geldwäsche verstrickt. Das Geschäft mit Prepaid-Kreditkarten gilt als „Paradies für Geldwäscher“.[40] Schon 2010 ging bei der Staatsanwaltschaft München und der Bankenaufsicht eine Strafanzeige gegen Wirecard ein, weil die Firma in den USA illegale Glückspielzahlungen abgewickelt hatte.[41] Zu diesem Zweck soll Marsalek auch mit den Banken von Robert Musin gehandelt haben, damals ein Abgeordneter der Putin-Partei „Einiges Russland“. Außerdem knüpfte Marsalek 2019 Bande mit der russischen RFI-Bank, die mit den dortigen Geheimdiensten, illegalem Glückspiel und Handel mit Krypto-Währungen in Zusammenhang gebracht wird.[42] Es wird vermutet, dass die Wirecard-Bank als Zugang zum westlichen Bankensystem genutzt wurde, um Geld zu waschen und um US-Sanktionen zu umgehen.

Marsalek wirkte aber auch im Interesse russischer Geopolitik: Im Juni 2017 ließ er bei dem deutschen Migrationsexperten Killian Kleinschmidt eine Machbarkeitsstudie für den Wiederaufbau in Libyen ausarbeiten.[43] Über sein Erstgespräch mit dem Wirecard-Manager meinte Kleinschmidt später: „Marsalek ging es darum, Migration unter Kontrolle zu bringen, aus Libyen heraus. […] Ich dachte: Grenzkontrollen okay, wenn das verbunden ist mit Entwicklung, also positiven Maßnahmen.“ Marsalek sei skeptisch gewesen und habe für harte Maßnahmen plädiert.[44]

Offenbar köderte Marsalek zu diesem Zeitpunkt österreichische Regierungskreise mit dem Versprechen, die Migrationskrise im Mittelmeerraum zu lösen.[45] Laut Kleinschmidt wurde eine Unterstützung von staatlicher Seite in Österreich zumindest in Erwägung gezogen.[46] Zwischendurch kam der russische Ex-Oberst Andrey Chuprygin ins Spiel. Kleinschmidt wurde erklärt, der „Kolonel“ sei „koordinierend für die russischen Interessen in Nordafrika, Libyen und dem Nahen Osten zuständig“. Chuprygin, offiziell ein Nahost-Experte, war für Sicherheit während eines Libyen-Aufenthalts zuständig.[47] Chuprygin werden Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU nachgesagt, was dieser „definitiv“ bestreitet.[48]

Die russische Dimension des gesamten Unternehmens wurde mit der Zeit noch offensichtlicher. Bei einer zweiten Besprechung im Februar 2018 überraschte Marsalek Kleinschmidt damit, dass er nunmehr kein Interesse an einem zivilen Programm habe, sondern stattdessen den Aufbau und die Ausbildung einer 15.000 bis 20.000 Mann starken bewaffneten Söldnertruppe plane, welche die Südgrenze Libyens gegen Migrantinnen und Migranten „abriegeln“ sollte.[49] Gleich eingangs kam Marsalek auf das „neue Equipment“ zu sprechen: „Ja, die neuen Bodycams, die sind ja – Zitat – ‚so geil‘ und ‚Wir haben ja so geiles Videomaterial, aber das Dumme ist, das können wir ja nicht für die Werbung benutzen, weil die Jungs erschießen ja alle Gefangenen‘.“[50] Das war eine Anspielung auf die Gräueltaten, die russischen Söldner in Syrien vorgeworfen werden. Für Marsaleks Projektpartner war das zu viel. Gegenüber Kleinschmidt hieß es im November 2018: Der „Jan“ sei „zu eng an den Russen dran“.[51]

Zu diesem Zeitpunkt sollen in einer von drei libyschen Zementfabriken, an denen Marsalek angeblich beteiligt war, bereits russische Söldner der Private Military Company (PMC) R.S.B Group Quartier bezogen haben – offiziell zum Zwecke der Minenräumung.[52] Mehr als 400 Minen sollen in dem Komplex nahe Benghazi geräumt worden sein. Noch wichtiger aber war, dass auf diese Weise zum ersten Mal seit dem Tod des Diktators Muammar al-Gaddafi (2011) eine bewaffnete russische Präsenz in Libyen zustande kam. In den darauffolgenden Jahren wurde diese Präsenz auf bis zu 1.200 Mann ausgeweitet. Diese stammten vor allem von der PMC Gruppe Wagner.[53]

Söldner der R.S.B.Group bei der Minenräumung in Libyen (Credit: R.S.B. Group)

Marsaleks Verbindung zur R.S.B Group hatte auch einen geschäftlichen Hintergrund: Dem Wirecard-Untersuchungsausschuss lagen Unterlagen vor, die nachweisen, dass Wirecard im Dezember 2017 für rund 1,4 Millionen Euro der R.S.B Group eine Software mit dem Namen „Open Loop Salary Card Platform“ verkauft hat, die vermutlich der Abwicklung von Gehältern in Bürgerkriegsgebieten wie Libyen diente.[54]

Darüber hinaus war Marsalek wohl selbst an der Söldnerfirma beteiligt. Über eine verschachtelte Konstruktion soll er das operative Geschäft gekauft haben, was es möglich machte, den ursprünglichen Besitzer weiter an Bord zu belassen, während die Kontrolle an Marsalek und seine Geschäftspartner überging.[55] Hätten Wirtschaftsprüfer wegen dieser engen Beziehung Fragen gehabt, hätten sie sich gleich an den russischen Präsidenten Wladimir Putin wenden können, scherzte Marsalek einmal. Ein anderes Mal gab ihm eine Kollegin den Rat, er solle „SEINE Russen nach London“ schicken, damit die dortige Presse Wirecard endlich in Ruhe lasse.[56]

Gut vernetzt in Österreich

Eine besondere Bedeutung für Marsaleks Russland-Kontakte soll die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft (ORFG) gespielt haben. Diese ist im Juni 2000 entstanden und zählt Politiker verschiedenster Parteien, hohe Beamte, Kammerfunktionäre, Rechtsanwälte, Steuerberater, Manager und Unternehmer zu ihren Mitgliedern. Ehrenpräsident ist traditionell der jeweilige russische Botschafter.[57] Laut Medienberichten waren Marsalek und der Wirecard-Vorstandsvorsitzende Markus Braun Ehrensenatoren der ORFG. Die Wirecard AG war nämlich 2010 einstimmig als Mitglied in die ORFG aufgenommen worden, wobei der Mitgliedsbeitrag für Unternehmen dieser Größe 10.000 Euro pro Jahr beträgt.[58]

Darüber hinaus war der damalige Generalsekretär der ORFG laut Meinung eines ehemaligen Mitarbeiter von Marsalek ein „kongenialer Partner für die Wirecard“ beim Russlandgeschäft: „Der Chef der ORFG kennt das Management des Telekom-Riesen MegaFon und organisiert einen initialen Meinungsaustausch in Sachen Guthaben-Kreditkarten.“[59]

Der Wirecard-Untersuchungsausschuss schlussfolgerte, „dass Herr Marsalek über die ORGF Kontakte zu russischen Nachrichtendiensten erlangte, die ihm auch bei seiner Flucht und seinem Untertauchen zu Gute kamen.“[60] Das Dossier Center, eine Enthüllungsplattform, die von dem Kreml-kritischen russischen Exilanten Michail Chodorkowski betrieben wird, will gar von einer Quelle erfahren haben, dass Marsalek über die ORFG mit hochrangigen Offizieren des SWR und des Militärgeheimdiensts GRU zusammenkam. Problematisch an dieser Darstellung ist jedoch, dass sich diese Rekrutierung Ende der 1990er Jahre zugetragen haben soll – als die ORFG noch gar nicht existierte.[61]

 Marsalek unterhielt überhaupt enge Verbindungen in die österreichische Innenpolitik: Im Innenministerium unter Herbert Kickl (FPÖ) präsentierte er Pläne für eine „Wirecard Refugee App“, deren Daten wiederum für Geheimdienste interessant gewesen wären. 2018 suchte Marsalek die Unterstützung des gut vernetzten Ex-CIA-Agenten Gary Brensten um Österreichs Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, was einen Wunsch der FPÖ darstellte.[62] Als Ehrensenator der ORFG nahm Marsalek am 29. Mai 2017 an einem Abendessen im Restaurant Boris Godunov in Moskau teil, am nächsten Tag an einem Empfang in der österreichischen Botschaft. Auf einem Foto ist Marsalek neben dem damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) beim Dinner zu sehen.[63]

Marsaleks emsige Vernetzungsarbeit in Österreich blieb auch nach seiner Flucht brisant: Als für die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), seit 2021 Nachfolgebehörde des BVT, die IT neu aufgestellt wurde, erfolgten im August 2021 Aufträge an zwei Firmen, deren Führungspersonal vorher Geschäftsbeziehungen mit Wirecard und Marsalek gepflegt haben soll.[64] So wollte eines dieser Unternehmen gemeinsam mit Wirecard 2016 den Auftrag für ein Ticket-und Abrechnungssystem für den öffentlichen Nahverkehr in Sankt Petersburg gewinnen. Partnerfirma war Skytech, ein Schwester-Unternehmen von Russlands größtem Rüstungskonzerns Rostec.[65]

„Feindaufklärung“

In jener Villa in der Münchner Prinzregentenstraße Nr. 61, die Marsalek für 680.000 Euro jährlich gemietet hatte, hatte die mittlerweile insolvente Beteiligungsgesellschaft IMS Capital ihren Sitz. Sie wurde einem Geschäftsfreund Marsaleks geleitet und soll ein Vehikel für dubiose Aktivitäten dargestellt haben.[66] In der Villa zu Gast war der ehemalige Chef des Auslandsgeheimdiensts der libyschen Übergangsregierung, Rami El Obeidi, der 20 Millionen Euro in IMS-Capital investiert hatte. Ein weiterer Besucher war Stanislav Petlinsky („Stas“). Dieser hatte im Tschetschenienkrieg gekämpft und war später in der Verwaltungsabteilung des Kremls sowie im Stab von Präsidenten Wladimir Putin tätig.[67] „Stas“ soll auch der Geschäftsführung der bereits erwähnten R.S.B Group angehören.[68]

Ermittler halten ihn für einen Art Führungsoffizier von Marsalek.[69] Laut Der Spiegel betrachtet man Petlinsky als „verlängerten Arm verschiedener russischer Geheimdienste“. Er und Marsalek trafen sich zum ersten Mal 2014 im Jachthafen von Nizza. Die Vorstellung übernahm Marsaleks gut vernetzte russische Geliebte S., die angeblich als „Honigfalle“ auf den Wirecard-Manager angesetzt wurde, als dieser 2013 mit MegaFon einen Deal um ein bargeldloses Zahlungssystem für die Moskauer Metro verhandelte. Petlinsky wiederum machte Marsalek mit Anatolij Karasi bekannt, der ab 2017 als Geheimdienstchef der PMC Wagner fungierte. 2017 unternahm das Trio eine Reise in die antike syrische Wüstenstadt Palmyra, die mithilfe der Wagner-Söldner gerade von der Besetzung durch die Miliz des sogenannten Islamischen Staats befreit worden war.[70]

Die sogenannte „Marsalek-Villa“ in der Prinzregentenstraße (Credit: Autor)

Direkt gegenüber von der Villa in der Prinzregentenstraße lag bis Ende 2023 das russische Generalkonsulat. Marsaleks Beziehungen dorthin waren eng: Er half dem Sohn des Generalkonsuls Sergey G. sogar bei der Bachelorarbeit und war mit dem Diplomaten mindestens seit 2015 in persönlichem Kontakt.[71] Aus einem Magazinbericht von 2001 geht hervor, dass der G. damals Nachrichtendienstoffizier in der Konsularabteilung der russischen Botschaft in Wien war.[72]

G. ist am 17. Jänner 2023 aus Deutschland ausgereist. Es heißt, das russische Außenministerium habe ihn abberufen.[73] Noch 2023 wurde das Generalkonsulat in München geschlossen, nachdem die Bundesregierung Russland den Betrieb von vier seiner fünf Generalkonsulate in Deutschland untersagt hatte. Zuletzt sei das Münchner Konsulat „ein Ort von Spionage und spannungsreicher Diplomatie geworden“, hieß es in deutschen Medien.[74]

Marsalek umgab sich außerdem mit einigen wenigen früheren Beamten des österreichischen BVT: Der ehemalige Abteilungsleiter M. W. trat für IMS-Capital als ein Art „Start-up-Scout“ in Erscheinung.[75] W. hatte „irgendwie den Eindruck, als wollte Jan Marsalek auch ein Geheimagent sein“.[76] Er selbst hatte Marsalek 2015 bei einer „Veranstaltung in einem Ministerium“ kennengelernt und diesen nach dem Ausscheiden beim BVT kontaktiert, „ob er nicht etwas für mich hätte. Er hat dann von einem Start-up gesprochen.“[77] W. stellte Marsalek zwei ehemalige BVT-Kollegen vor: E. O. und A. H.[78] Die beiden sollen danach „immer wieder“ für Marsalek gearbeitet haben.[79] Von Anfang 2018 bis Ende 2020 bat W. seinen Ex-Kollegen O. darum, Abfragen zu 25 Personen vorzunehmen, teilweise auf Bitten von Marsalek.[80] Dafür soll W. laut eigenen Angaben zumindest 6.800 Euro bezahlt haben.[81]

Bei den Zielpersonen soll es sich unter anderem um Investoren und Konkurrenten von Wirecard gehandelt haben, aber auch um Familienangehörige und Bekannte von Marsalek sowie um Personen mit Russland-Bezug.[82] So wandte sich zum Beispiel Petlinski 2019 an Marsalek: Die Geliebte des Oligarchen Arkady Rotenberg und ihre Schwester hätten Ärger bei Grenzübertritten nach Europa. Marsalek leitete die Nachricht an W. weiter und fragte, „ob wir da unterstützen könnten“. O. soll daraufhin einen Polizeikollegen in Italien um Auskunft gebeten haben. Diese lautete: Die Frauen hätten einen Eintrag im europäischen Grenzfahndungssystem SIS – ausgeschrieben von Lettland zur verdeckten Kontrolle wegen „Terrorismus“.[83]

Marsalek selbst wollte angeblich wissen, ob jemand bei einem oder für einen Geheimdienst tätig sei.[84] Am 15. Dezember 2020 schickte W. eine verschlüsselte Nachricht an O.: „Könnten wir in Ö[sterreich] mal eine Abfrage zu einem Hr. Christo Grozev machen?“ In einer späteren Nachricht schrieb W. an Ott: Grozev unterstütze eine Operation „gegen die Causa“. Daraufhin liefert O. die Anschrift von Grozevs Privatwohnung in Wien. Diese Auskundschaftung war deswegen brisant, weil es sich bei Grozev um einen Investigativjournalisten handelt, der zur Aufklärung des ersten Giftanschlags auf den Oppositionellen Alexej Nawalny beigetragen hat.

Grozev musste Wien 2023 nach zwei Jahrzehnten aus Sicherheitsgründen verlassen. Er selbst gab ab, schockiert gewesen zu sein, „dass ich nicht nur ausspioniert wurde, sondern dass das durch frühere BVT-Beamte passiert ist, die mich als ‚Feind ihrer Freunde‘ bezeichnet haben. Also nannten sie den russischen Geheimdienst FSB ihre Freunde!“[85] O. hingegen führte aus, „lediglich auf dem Meldeamt“ gewesen zu sein und dort 3,40 Euro für die Auskunft bezahlt zu haben, wo Grozev wohnte. Dass es Hilfe für den russischen Geheimdienst gewesen sei, weist O. zurück. Diesen habe er in seiner Karriere „immer bekämpft“.[86]

Die Sonderkommission AG FAMA, die am 28. Juli 2020 eingesetzt wurde, und u.a. diese Vorgänge untersucht, kam in einem Bericht zum Schluss: „Die intensiven Ermittlungen […] erhärten den Tatverdacht und weisen auf ein in Österreich bestens etabliertes, nachrichtendienstlich agierendes Netzwerk (…) um den weiterhin flüchtigen österreichischen Staatsbürger Jan Marsalek hin.“ Ziele seien die „gezielte Aufklärung und Lokalisierung von Personen“, die „Beschaffung von Akten“, sowie die „gezielte Einflussnahme auf Regierungs- und Parteimitglieder im Sinne russischer Interessen“ gewesen. Die Gruppe habe eine „nachrichtendienstliche Zelle geschaffen, derer Kapazitäten und Fähigkeiten sich russische Nachrichtendienste bedient haben“.[87]

Marsaleks Aufklärungsinteresse galt auch „Shortsellern“, die auf einen fallenden Kurs der Wirecard-Aktie spekulierten, weil sie das Geschäftsmodell und das Gebaren des Unternehmens kritisch hinterfragten. Berichte wie der „Zatarra“-Report, der ab Herbst 2015 zirkuliert haben soll und am 24. Februar 2016 online veröffentlicht wurde, brachte den Wirecard-Kurs ins Schwanken.[88] Seitdem so Marsalek, soll er für einen Bereich zuständig gewesen sein, „den man umgangssprachlich als Feindaufklärung bezeichnen könnte“.[89] Diese „Feindaufklärung“ war alles andere als zimperlich. Nach dem Erscheinen des Zatarra-Reports wurden kritische Journalisten und Investoren beschattet.[90]

Schon im Mai 2015 war Marsalek mit dem seit 2009 in Großbritannien ansässigen bulgarischen Staatsbürger Orlin Roussev in Kontakt, der anbot, „qualitativ hochwertige und maßgeschneiderte Lösungen“ für Smartphones und andere elektronische Geräte zu liefern.[91] Roussev soll ein Mobiltelefon besorgt haben, dass es Marsalek ermöglichte, SMS-Nachrichten an bestimmte Personen zu schicken und so an Daten über deren Standort heranzukommen. Außerdem soll das Telefon zwischen verschiedenen Netzen hin- und hergewechselt haben, um etwaiger Überwachung durch die deutschen Behörden zu entgehen.[92] Roussev wurde Anfang 2023 gemeinsam mit vier Bulgaren wegen Spionage-Verdachts für Russland festgenommen. Alle hatten insgesamt 34 verschiedene Ausweise in ihrem Besitz.[93]

Die Aktivitäten dieses Spionagerings sollen wie eingangs dargestellt zwischen 2020-2023 von Marsalek finanziert und angeleitet worden sein. Zu diesem Zweck richtete er 2021 mittels eines tschechischen Passes eine auf „Dr. Jan Marsalek“ eingetragene Beratungsfirma in Nord-London ein, im Jahr darauf wieder schloss. Offenbar wurde dieses Konstrukt benutzt, um Zahlungen an den Spionagering zu leiten.[94] Zu den Beweismitteln zählen 80.000 Chatnachrichten. Die genauen Anweisungen sollen per Telegram-Nachrichten von Marsalek gekommen sein. Bezahlt wurden die Bulgaren dafür per Kryptowährung und über einen Mittelsmann in bar.[95]

Was noch die „Feindaufklärung“ betrifft, so soll der erwähnte ehemalige libysche Geheimdienstmann und Wirecard-Aktionär El Obeidi mithilfe zweier Detekteien 2019 in London und Manchester Hedgefonds-Manager ausspähen haben lassen.[96] Sein „Meisterstück“ lieferte Marsalek aber am 18. Februar 2019, als die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin ein Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien verhängte. Damit wurden neue Wetten auf Kursverluste von Wirecard untersagt. So etwas hatte es bis dahin mit Blick auf ein einzelnes Unternehmen noch nicht gegeben.[97]

Verwicklung in den BVT-Skandal

Am 28. Februar 2018 führte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in sechs Büros im Hauptquartier des BVT am Rennweg eine Hausdurchsuchung statt.[98] Es ging um Vorwürfe des Amts- und Datenmissbrauchs, die sich gegen insgesamt fünf Beschuldigte richteten. Zuvor war – zwischen April und Herbst 2017 – eine Reihe von teils identen anonymen Anzeigen, die an verschiedene politische Stellen, Staatsanwaltschaften, Behörden und Medien geschickt worden. Man fasste die insgesamt 39 Seiten bald unter der Bezeichnung „Konvolut“ zusammen. Im Stile eines reißerischen Groschenromans verfasst, wurden schwere Vorwürfe gegen hochrangige Mitarbeiter im BVT und im Innenministerium erhoben. Dass die Hausdurchsuchung schließlich stattfand, war außerdem den Aussagen von vier „Belastungszeugen“ geschuldet. Während einer davon Entlastendes zu Protokoll gab, hatten die anderen drei Zeugen vor der Einvernahme bei der WKStA ein Vorgespräch mit einem Kabinettsmitarbeiter von Innenminister Kickl und wurden von diesem zur Einvernahme begleitet. Bei diesen drei Zeugen handelte es sich um die später von Marsalek beschäftigten M. W. und H. sowie um eine Kollegin, die 2015-2017 im Referat Nachrichtendienst gearbeitet hatte. Auch O. sagte später aus.[99]

Die BVT-Hausdurchsuchung wurde aber noch Ende 2018 zumindest teilweise als rechtswidrig erklärt. Mittlerweile ist die Causa aber vollständig in sich zusammengebrochen: Nur zwei der Beschuldigten mussten sich vor Gericht verantworten und wurden Anfang 2022 freigesprochen.[100] Für das BVT war die Affäre dennoch ausgesprochen schädlich: Dass klassifizierte Informationen beschlagnahmt worden waren, hatte Vertrauen bei den internationalen Partnern gekostet. Weitere Affären – wie die Verwicklungen mit Marsalek – führten dazu, dass das Amt 2021 in einer großen Reform als DSN neu aufgesetzt wurde.

In diesen Prozess der Zerrüttung des BVT war Marsalek involviert gewesen. Er soll Insiderinformationen aus dem Verfassungsschutz erhalten haben. Diese soll er dann über einen Mittelsmann – den bereits erwähnten ORFG-Generalsekretär – an den damaligen FPÖ- Johann Gudenus weitergeleitet haben.[101] Der Nachrichtenaustausch baute aus Fakten und Halbwahrheiten ein stimmiges Narrativ zusammen, das sich mit den Behauptungen aus dem „Konvolut“ deckte: Ein „schwarze Netzwerk“ ÖVP-naher Beamter arbeite gegen den erst seit Ende 2017 im Amt befindlichen FPÖ-Innenminister Kickl.[102]

Als Quelle nannte er einen „Jan aus dem BVT“ oder einen „Freund aus den Tiefen des BMI“. Bei diesem „Jan“ handelte es sich laut Medienberichten um Marsalek. „Jan“ erzählte von geheimen außenpolitischen Positionen einzelner Staaten, von Gerüchten über BVT-Direktor Gridling und von Interna aus anderen Parteien. [103] Die Zukunft des Verfassungsschutzes war ebenso Thema. So wollte „Jan“ einen Termin, um unter der Bezeichnung „Projekt Pyramide“ eine Neuaufstellung des BVT voranzutreiben.[104] Laut W. stellte sich Marsalek selbst „oft als Geheimdienstler dar“ – und hatte Pläne für das BVT: „Damit waren nicht nur personelle Rocharden gemeint, sondern auch Strukturänderungen. Es wollte proaktiver auf die Wirtschaft zugehen.“[105] Marsalek machte auch Personalvorschläge und nannte im Mai 2018 einen aus seiner Sicht passenden Kandidaten für die „Leitung des österreichischen ND in der Rolle eines nationalen Geheimdienstkoordinator[s]“.[106]

Gudenus und Marsalek sollen sich 2017 auch mehrfach persönlich getroffen haben. Einmal geschah das im Beisein von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache.[107] Letzterer erinnerte sich, dass Gudenus ihm Marsalek vor den Regierungsverhandlungen vorstellte. Das Treffen fand in den FPÖ-Klubräumlichkeiten statt. Der Wirecard-Manager erzählte etwas von seinem geplanten Grenzschutzprojekt in Libyen, wofür Strache aber nichts tun konnte. Strache schließt nicht aus, dass dieses Treffen „inszeniert“ war, „um mir den Kontakt mit ihm unterzujubeln“. Inzwischen wisse er, dass Gudenus „den Jan Marsalek ohne mein Wissen in unserer Regierungszeit auch in das Innenministerium zu Minister Herbert Kickl sowie ins Verteidigungsministerium begleitet haben soll“.[108]

Im November 2017 – noch während der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ – schickte Marsaleks Mittelsmann eine geheime Aktenzahl aus dem BVT-Referat Nachrichtendienst. Die FPÖ glaubte offenbar, dass unter dieser Aktenzahl Informationen über sie gesammelt wurden und soll deswegen Interesse an dem betreffenden Dokument gehabt haben (tatsächlich ging es darin um Sensibilisierungsgespräche mit FPÖ-Mandataren, die 2016 als Wahlbeobachter eine Reise auf die russisch besetzte Krim unternommen hatten). Eine andere Information betraf die sogenannte „Liederbuchaffäre“. Der FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer hatte kurz vor der niederösterreichischen Landtagswahl am 28. Jänner 2018 zurücktreten müssen. Stein des Anstoßes war ein Liederbuch der Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“, in dem antisemitische Botschaften enthalten waren. In der FPÖ soll man überzeugt gewesen sei, dass diese Vorwürfe aus dem BVT stammten und gezielt lanciert worden waren.[109] Das verstärkte das Misstrauen in den Verfassungsschutz im unmittelbaren Vorfeld der Hausdurchsuchung und könnte somit dazu beigetragen haben, das diese stattfand.

Die Nowitschok-Formel

Im Oktober 2018 prahlte Marsalek bei Meetings in London mit brisanten Dokumenten. Drei davon behandelten die Entsendung von Spezialisten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) im April und Juli 2018 nach Großbritannien, wo sie das Nervengas Nowitschok untersuchten. Damit war der Überläufer Sergej Skripal und dessen Tochter von russischen Agenten am 4. März 2018 in Salisbury vergiftet worden war. Die Dokumente beschrieben wie Proben des Nervengifts für Tests in OPCW-Labors entnommen worden waren. Ebenfalls enthalten war die russische Version der Ereignisse, wonach dieser Strang von Nowitschok in einem britischen Militärlabor fabriziert worden sei. Ein viertes Dokument war eine Präsentation, die im Rahmen eines „Briefing for State Parties“ am 13. September 2018 gezeigt wurde. Die Dokumente enthielten auch die Formel des Nervengifts.[110]

Die Hintergründe des Giftanschlags, dem eine unbeteiligte Britin zum Opfer fiel, waren von enormen Interesse für die Geheimdienste aus West und Ost. So wurde eine russische Spionageoperation gegen den OPCW-Sitz in Den Haag am 13. April 2018 vom niederländischen Militärischen Nachrichten- und Sicherheitsdienst (MIVD) nach vier Tagen Observation vereitelt.[111] Als Marsalek die rund 50 Seiten ein weiteres Mal während eines Gespräch mit einem Journalisten von der Financial Times hervorholte, fragte der nach der Quelle. „Freunde“ (friends) lautete die Antwort.[112]

Wie waren die Dokumente nun tatsächlich seine Hände gelangt? Der Barcode verwies auf einen Mitgliedstaat der OPCW als Herkunft: Österreich. Dort lag das Dokument mit der Nowitschok-Formel in drei Ministerien auf und war als „geheim“ eingestuft. Wie es den Weg zu Marsalek fand, ist nach wie vor Gegenstand von Ermittlungen.[113] Auf einem sichergestellten Organigramm wurden die die Namen unter anderem von H. und O. mit einer hohen Einstufung im Beamtengehaltsschema gefunden.[114] Offenbar war geplant gewesen, eine neue Abteilung (A1/6) im Außenministerium mit fünf Referaten anzulegen. Dieser Art „Minigeheimdienst“ wäre für Sicherheit, spezielle Rechtsfragen, Krisenunterstützung, Analyse und IT zuständig gewesen.[115] Wären auf diese Weise Mitarbeiter, die die FPÖ unterstützt hatten oder als „Belastungszeugen“ ausgesagt hatten, belohnt worden?

Flucht und Exil

Marsalek Netzwerk assistierte diesem auch bei seiner Flucht, wobei allerdings nicht klar ist, ob den Beteiligten bewusst war. Am Vorabend seines Verschwindens, am 18. Juni 2020, war Marsalek mit M. W. und seiner Assistentin in im Münchner Restaurant „Il Sogno“ essen. Laut W. habe Marsalek gesagt, dass er von Wirecard beurlaubt worden sei und über Minsk auf die Philippinen reisen wolle, um Nachforschungen anzustellen, um die ihn der Aufsichtsrat gebeten habe. Es gelte, den Verbleib von 1,9 Milliarden Euro zu klären. W. schickte dann eine Kopie von Reisepass von Marsalek nach Österreich, „mit der Bitte, dass man ein Flugzeug organisiert“.[116]

Diese Aufgabe übernahm der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete Thomas Schellenbacher. Er buchte für Marsalek einen Minsk-Flug für den Abend des 19. Juni 2020 – und zwar vom diskret-kleinen Flughafen Vöslau-Kottingbrunn im Privatjet einer Innsbrucker Charterfirma. Auch der Ausweis eines Geschäftspartners von Petlinski wurde bei der Flugbuchung verwendet – wohl um die Identität des Passagiers so lange wie möglich geheim zu halten.[117]

Die Kosten in der Höhe von 7.920 Euro bezahlte Marsalek dann in bar. Gegen 17 Uhr als Marsaleks Start eigentlich geplant war, sollte eigentlich eine Grenzkontrolle durch Beamte der Polizeiinspektion Leobersdorf stattfinden. Doch der Passagier traf erst gegen 19.45 Uhr ein, angeblich, weil sein Taxi die Abzweigung zum Flughafen nicht finden konnte. Eine gute Viertelstunde später hob die Maschine ab,[118] die um 22.07 Uhr Ortszeit in der weißrussischen Hauptstadt landete. Dort stieg Marsalek in den bereitstehenden Bus eines „VIP-Einreiseservice“, der ihn in ein 45 Minuten entferntes Hotel in der Minsker Tolstoistraße brachte.[119]

Von dort aus ging es dann offenbar weiter mit dem Auto Richtung Moskau. Wieder soll es ein Bekannter von Petlinski gewesen sein, der sich um den Transfer kümmerte – samt Einschleusung über die russische Grenze, um keinen Datenpunkt bei einer Personenkontrolle zu hinterlassen. Außerdem wurde eine falsche Fährte auf die Philippinen gelegt, wohin Marsalek ja angekündigt hatte, reisen zu wollen. Dafür nahmen Beamte der dortigen Einwanderungsbehörde fiktive Einträge vor. Demnach war Marsalek am 23. Juni 2020 in Manila aus Singapur kommend, gelandet.[120]

An der Ausreise aus Deutschland hätte Marsalek nur aufgrund eines Haftbefehls gehindert werden können. Doch dieser wurde Amtsgericht München auf Antrag der Staatsanwaltschaft München I erst zu Mittag am 22. Juni 2020 erlassen.[121] Wenige Wochen später, am 7. August 2020, meldete die BND-Residentur in Moskau an die Zentrale „das Gerücht, dass sich der Gesuchte in der Obhut der russischen Dienste befindet“.[122]

Angeblich soll ein sicherheitspolitischer Berater von Präsident Putin dem BND-Residenten ein Verhör mit Marsalek angeboten haben. Doch der Nachrichtendienst ging darauf nicht ein, weil man befürchtete, die eigenen Agenten könnten in eine verfängliche Situation gelockt werden.[123] Für den ehemaligen deutschen Bundestagsabgeordneten Fabio de Masi (Linke) erklärt sich der insgesamt laxe Umgang damit, dass offenbar kein Interesse besteht, „dass Jan Marsalek nach Deutschland zurückkehrt und aussagt. Denn er hütet viele dunkle Geheimnisse“.[124]

Laut russischen Quellen, die Mitte 2022 veröffentlicht wurden, soll Marsalek zuletzt in Meidendorf Gardens, einer der teuersten Wohngegenden in Moskau residiert haben. Er stehe unter dem Schutz des FSB – im Gegenzug für Informationen zu Marsaleks Geschäftsaktivitäten, zur politischen Landschaft in Deutschland und in Österreich sowie zu seinen persönlichen Kontakten. Ein solches umfassendes „debriefing“ muss ein Überläufer in der Regel leisten, bevor er in den Genuss von Privilegien gelangt.[125] Zu letzteren gehörten auch russische Pässe. Damit Marsalek reisen konnte – unter anderem 2020 auf die Krim – erhielt er von einer Helferin, die Kontakt zum FSB haben soll, einen Pass mit der gekaperten Identität eines russisch-orthodoxen Priesters, der Marsalek ähnlich sieht. Laut Medienberichten nahm Marsalek noch die Identität eines weiteren Priesters sowie eines gewissen „Alexander Schmidt“ an.[126]

Dass der russische Generalkonsul in München Oleg Krasnitskiy im Frühjahr 2023 gegenüber Journalisten „Russlands Bereitschaft“ signalisiert haben soll, Marsalek auszuliefern – „wenn er denn in Russland sei“ – zeigt aber, dass Marsaleks Exil alles andere als „sicher“ ist.[127] Von daher wäre es nicht überraschend, wenn Hinweise auf andere Aufenthaltsorte wie die Vereinigten Arabischen Emirate zutreffen.[128] Mitte Juli 2023 gab es jedenfalls ein „Lebenszeichen“: In einem Schreiben, das sein Anwalt verfasst hatte, nahm Marsalek zum Wirecard-Verfahren Stellung, ohne auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzugehen.[129] Der Kronzeuge im Verfahren, Oliver Bellenhaus, erhält seit Anfang 2024 Personenschutz. Grund dafür sei ein Hinweis des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5 gewesen, wonach Bellenhausen angeblich Gefahr von Seiten Marsaleks drohe.[130] Dieser ist laut dem Wall Street Journal oft in Dubai, von wo er sich um die Neuordnung der internationalen Aktivitäten der PMC Wagner in Afrika kümmern soll – nachdem der Kopf der Söldnerfirma Jewgeni Prigoschin 2023 gemeutert hatte und dann beim Flugzeugabsturz ums Leben kam.[131]

Rückschlüsse aus der Familiengeschichte

Die Familiengeschichte von Marsalek offenbart einen starken nachrichtendienstlichen Bezug. Während er mutmaßlich dazu beigetragen hat, dass das BVT 2021 „untergegangen“ ist, hatte sein Großvater Hans Marsalek (1914-2010) dabei mitgewirkt, den BVT-Vorgänger, die Staatspolizei, nach 1945 wiederaufzubauen Der 1914 geborene Hans Marsalek war ein Held des Widerstands. Vor der Einberufung zur Wehrmacht floh er nach Prag und war dort illegal in der Tschechischen Kommunistischen Partei tätig. Am 28. Oktober 1941 wurde Marsalek von der Gestapo verhaftet und verbrachte mehrere Monate im Landesgericht Wien und im Gestapo-Gefängnis. 1942 wurde er im KZ Mauthausen interniert und war an einer Widerstandsorganisation im Lager beteiligt. Später, von 1964 bis 1976, war Marsalek Leiter der Gedenkstätte und des Museums Mauthausen. Er war führend an der Gründung der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen und des Comité International de Mauthausen beteiligt. Damit hat sich Marsalek große Verdienste um die österreichische Erinnerungskultur erworben.[132]

Hans Marsalek in Gestapo-Haft 1941 (Credit: Mauthausen Komitee Österreich)

Weniger bekannt ist, dass Marsalek ab der zweiten Hälfte des Jahres 1945 zur Führung der Staatspolizeilichen Abteilung, der Abteilung I der Polizeidirektion Wien, gehörte. Diese sogenannte Wiener Staatspolizei ging am 11. Juni 1945 aus dem knapp zwei Monate zuvor aufgestellten Fahndungsdienst hervor und wurde am 13. Juni 1945 als Abteilung I in die Polizeidirektion Wien eingegliedert. Am Dienstsitz Deutschmeisterplatz 3 ansässig,[133] setzte sich die Wiener Staatspolizei aus folgenden Referaten zusammen: (I.) „Kriegsverbrecher“, (II.) „Säuberung“ (Wirtschaftsverbrechen), (III.) „Informationen“, (IV.) „Abwehr“.

Marsalek war der Leiter des Referats IV.[134] Anfang April 1947 wurden Organisation und Geschäftseinteilung abgeändert: Marsalek war nun einer von drei Referenten in der Gruppe B (Staatspolizeilicher Nachrichtendienst) unter Gruppenleiter Karl Matzenauer. Marsalek oblag die „Überwachung und Beobachtung subversiver politischer Tätigkeiten aller Richtungen und der Tätigkeit von Agenten (Illegalitäts- und Spionageabwehr).“ Die Vorreferenten „A. Ob. Rev. Kalteis, Politzer, Wopalensky, Landsmann, Leutgeb, Hassmann, Had“ waren Marsalek unterstellt.[135]

An die Spitze der Wiener Staatspolizei berief der zuständige Staatssekretär für das Innere, Franz Honner (KPÖ), schon im Juni 1945 Heinrich Dürmayer, der im Spanischen Bürgerkrieg als Kriegskommissar der Internationalen Brigaden gedient hatte.[136] 1940 an die Gestapo ausgeliefert, war Dürmayer zuletzt Häftling im Konzentrationslager Mauthausen, wo er mit Marsalek bekannt wurde.[137] Als letzterer im Herbst 1945 mit der Mitgliedsnummer 701 in den KZ-Verband, den Zusammenschluss einer Reihe von Organisationen der NS-Opfer in Österreich, aufgenommen wurde, wirkte Dürmayer als einer von drei Bürgen.[138]

Die Wiener Staatspolizei bestand überhaupt zu einem Großteil aus ehemaligen Spanienkämpfern und/oder KZ-Häftlingen bzw. wegen ihrer Widerstandstätigkeit von NS-Gerichten zu Zuchthausstrafen Verurteilten.[139]

Das Verhältnis zur sowjetischen Besatzungsmacht war nicht nur ideologisch eng. Im Zuge seiner Recherchen zur Wiener Staatspolizei 1945-1947 gewann Gerald Theimer den Eindruck, diese habe agiert, „als wäre es eine festgeschriebene Tatsache, dass Österreich eine Volkdemokratie nach sowjetischem Vorbild werden sollte“.[140] Auch Ulrike Wetz beschreibt in ihrer Geschichte der Wiener Polizeidirektion vom Jahre 1945 bis zum Jahre 1955 (1971) Dürmayers Staatspolizei als wichtigste Bastion kommunistischen Einflusses im Innenbereich. Die Büros befanden sich im sowjetischen Sektor, das Personal bestand „hauptsächlich aus Kommunisten“ und ein eigenes Personalreferat regelte die Angelegenheiten getrennt von jenen der Polizeidirektion. Man habe sich überhaupt „weder um Weisungen der Polizeidirektion noch des Innenministeriums“ gekümmert.[141]

Von Beginn an herrschten daher Spannungen mit den übergeordneten Strukturen im Innenministerium, wo die Parteien ÖVP und SPÖ mit Hilfe der westlichen Besatzungsmächte den Ton angaben. Doch dank der Unterstützung durch den sowjetischen Stadtkommandanten von Wien, Generalleutnant Alexej W. Blagodatow, war Dürmayer mit großen Vollmachten ausgestattet und verfügte bald über einen Apparat mit mehreren Hundert Beamten. 1946 waren es 679 Beamte und Angestellte, darunter 204 Frauen – von denen 90 Prozent als Kommunisten, neun Prozent als Sozialdemokraten und lediglich ein Prozent als Parteigänger der ÖVP eingestuft wurden.[142]

Ehemaliger Sitz der Wiener Staatspolizei am Deutschmeisterplatz (Credit: Autor)

Die Priorität der Wiener Staatspolizei galt vor allem der Ausforschung und Verhaftung ehemaliger Nationalsozialisten: Im November 1945 befanden sich in zwölf Arbeits- und Anhaltelagern, die der Staatspolizei unterstellt worden waren, 1.340 Häftlinge.[143] Ein Teil wurde bald freigelassen, der andere Teil wurde entweder den Alliierten oder den österreichischen Volksgerichten zur Aburteilung übergeben. Bis zum 31. Dezember 1946 waren es „nur“ mehr 35 Arretierte.[144] Laut Theimer war „erhebliche Anzahl“ der Häftlinge im Auftrag der sowjetischen Besatzungsmacht festgenommen worden. Etliche darunter sollen vorher für das Counterintelligence Corps (CIC), die Spionageabwehr der US-Armee, gearbeitet haben.[145]

Die Internierungen waren wohl auch ein Mittel, um den kommunistischen Einfluss in der sowjetischen Besatzungszone durchzusetzen. Laut Innenminister Oskar Helmer (SPÖ), einem ausgewiesenen Antikommunisten und Gegner Dürmayers, verhaftete die Wiener Staatspolizei, „nach Belieben, sie führte Hausdurchsuchungen ohne gerichtliche Bewilligung durch, nahm ,Verhöre‘ vor, beschlagnahmte Lebensmittel und andere Waren und errichtete Anhaltelager, in denen nicht nur Nationalsozialisten, sondern auch viele den Kommunisten missliebige Personen durch Wochen und Monate gefangen gehalten oder gar – was noch schlimmer war – an die Besatzungsmacht als ‚Faschisten‘ ausgeliefert wurden.“[146]

Dürmayers zeitweiliger Stellvertreter Valentin Strecha[147] entgegnete später mit Vorwurf, die Wiener Staatspolizei sei „immer mehr behindert“ worden. Er und seine Kollegen seien auf „harte Grenzen“ gestoßen, „wenn wir die Vergangenheit verschiedener Leute untersuchen wollten“.[148] So wurde der Wiener Staatspolizei ein hochbrisanter Fund verschwiegen. Noch 1945 waren in den Großöfen der Zentralheizung des Wiener Parlamentsgebäudes die Akten des Gaupersonalamts des Reichsgaues Wien („Gauakten“) sichergestellt worden. Die rund 300.000 Faszikel gaben Aufschluss über NS-belastete Österreicherinnen und Österreicher.[149] Maximilian Pammer, der Leiter des staatspolizeilichen Büros im Innenministerium, erkannte, wie brisant dieses Material war „und wie gefährlich es werden konnte, wenn es in die unrichtigen Hände – Russen oder Polizeidirektion Wien – gelangen würde.“[150] Die Alliierten wurden erst Anfang 1946 voll ins Bild gesetzt. Die Gauakten verblieben im Gewahrsam des Innenministeriums.[151]

Der Stellvertreter Dürmayers, Max Umschweif, berichtete später gar, dass ehemalige Nazis vom US-Geheimdienst direkt aus der Haft rekrutiert worden sein sollen: „Die Amerikaner sind damals im Polizeigefängnis von Zelle zu Zelle gegangen und haben sich unter den dort einsitzenden Nazis ihre Leute herausgesucht.“ In den ersten Nachkriegsjahren erschien ein Mann namens Joksch, der in der Gestapo-Leitstelle Wien tätig gewesen war, in Umschweifs Dienststelle und zeigte einen CIC-Ausweis zur Legitimation vor.[152] Die enge Zusammenarbeit zwischen der Wiener Staatspolizei und der sowjetischen Besatzungsmacht muss auch vor dem Hintergrund dieses hochambivalenten Umgangs mit NS-Verbrechern betrachtet und bewertet werden.

Das Nahverhältnis erweckte jedenfalls den Argwohn westlicher Geheimdienste. Das CIC erstellte 1946 einen Bericht, in dem auf Marsaleks Referat eingegangen wurde. Dieses beschäftige sich mit illegalen Nationalsozialisten, Ex-Agenten des Wehrmachts-Geheimdiensts (Amt Ausland/Abwehr) sowie Monarchisten und bestünde aus rund 30 Personen. Marsaleks Vorgesetzter Strecha sei ein „fanatischer Kommunist“, aber er und Marsalek seien „angenehme Menschen“ („pleasant people“), die leicht zugänglich seien.[153]

Auch ein Dokument von 1947 erwähnt Marsalek namentlich und formuliert den Verdacht, dass die Akten der Wiener Staatspolizei der sowjetischen Besatzungsmacht zur Verfügung stünden.[154] In einem Appendix werden außerdem 16 Informanten verschiedener Geheimdienste samt Kurzbeschreibung und Aktenzahl aufgeführt. Das CIC habe diese Angaben in den Unterlagen der Staatspolizei „gefunden“. Zusammengestellt wurden die Dokumente von Marsaleks Referat. Unter anderem wird in der Auflistung Richard Kauder erwähnt. Dieser befände sich in Salzburg, wo er mit früheren Kameraden „vermutlich“ für „die Amerikaner“ arbeite.[155]

Kauder war unter dem Decknamen „Klatt“ ein wichtiger Informant des Amts Ausland/Abwehr gewesen und war nach 1945 tatsächlich für das CIC tätig. Im Sommer 1947 wurde versucht, Kauder aus der US-amerikanischen Besatzungszone zu verschleppen. Ein nächtlicher Vorstoß in sein Wohnhaus in St. Gilgen, musste aber abgebrochen werden, um keine Schießerei mit dem CIC zu provozieren. Das sechsköpfige Entführerkommando setzte sich offenbar aus Beamten der Wiener Staatspolizei zusammen. Noch drei Jahre später wertete der CIC dies „als eine der gewagtesten und kühnsten Operationen“ des sowjetischen Geheimdienstes in Österreich“.[156]

Beamte der Wiener Staatspolizei waren auch in andere Entführungsaktionen „im Auftrage der russischen Kommandantur“ verwickelt.[157] Denn der Schattenkrieg der Geheimdienste im besetzten Nachkriegsösterreich forderte damals zahlreiche Opfer unter Informanten und Unschuldigen, die man der Spionage verdächtigte. Alleine 1948 sollen bis zu drei Personen pro Tag vom sowjetischen Geheimdienst und dessen Helfershelfern entführt worden sein.[158] Die US-Dienste und ihre Alliierten schreckten ebenso nicht davor zurück, Zielpersonen im sowjetischen Sektor von Wien zu schnappen.[159] Aber die Ortskundigkeit und die Kontakte, die Wiener Staatspolizisten mitbrachten, bedeuteten für die sowjetische Seite einen Informationsvorsprung.[160]

Dürmayer[161] wurde schließlich im September 1947 auf Betreiben von Helmer zur Polizeidirektion Salzburg versetzt. Nachfolger als Leiter der Wiener Staatspolizei wurde Oswald Peterlunger. Mit Dürmayer verließen auch zwei Referatsleiter die Staatspolizei, weitere wurden in der Folgezeit auf andere Polizeidienststellen versetzt. Marsalek wurde als Polizeioberkommissär der staatspolizeilichen Abteilung zugeteilt.[162] Der kommunistische Einfluss wurde insgesamt zurückgedrängt: So verringerte sich der Personalstand der Wiener Staatspolizei zwischen 1947 und 1954 von rund 680 auf 150 Beamte. Der Sitz der Behörde wurde schon 1948 in die Zedlitzgasse Nr. 8, in unmittelbarer Nähe zur Polizeidirektion verlegt.[163]

Heinrich Dürmayer (sitzend links) vernimmt im September 1945 den NS-Verbrecher Maximilian Grabner (Quelle: Wikimedia Commons/Fotocollectie Anefo)

Marsalek nahm am 30. September 1950 gemeinsam mit einigen Kollegen an einer Betriebsrätekonferenz in Wien-Floridsdorf teil. Brisant war das deswegen, weil zu diesem Zeitpunkt eine massive Streikbewegung in der Arbeiterschaft im Gange war, die maßgeblich von der KPÖ vorangetragen wurde. Gegen alle Polizisten, die an der Betriebsrätekonferenz teilgenommen hatten, wurden Verfahren vor der Disziplinarkommission der Polizeidirektion eröffnet. Daraufhin versetzte man Marsalek in das Bezirkskommissariat Alsergrund und er schied 1963 ganz aus dem Polizeidienst aus.[164]

Aus Abschriften von Dokumenten, die der KGB-Archivar Wassili Mitrochin in den Westen geschleust hat, geht hervor, dass die „Infiltration der österreichischen Polizei, insbesondere ihres Sicherheitsdiensts, der Staatspolizei“, noch bis in die 1980er Jahre bestehen blieb. In den Mitrochin-Notizen werden mehrere KGB-Quellen in der Polizei mit ihrem Decknamen und dem Rekurtierungs-Datum genannt.[165]

Gegen Marsalek wurde Anfang der 1950er Jahre im Zusammenhang mit Informationsabfluss an den sowjetischen Geheimdienst ermittelt. Aus einem Schreiben Peterlungers an die Staatsanwaltschaft Wien vom 24. September 1956 geht hervor, dass sich der aus Frankfurt am Main stammende Kaufmann Otto Mautner im März 1950 an die Staatspolizei gewandet hatte – und zwar wegen Drohungen gegen seine Person. Mautner befürchtete eine Verschleppung durch die sowjetische Besatzungsmacht. Er war nämlich Informant des CIC. Die Sowjets hatten deshalb verlangt, er möge „für sie nachrichtendienstlich zu arbeiten“ und so Doppelagent werden. Mautner verständigte darüber das CIC. Daraufhin wurde er am 6. Juni 1952 auf der Ennsbrücke an der Demarkationslinie verhaftet und in die sowjetische Zentralkommandatur in Baden bei Wien überstellt worden. Mautner wurde zum Tod verurteilt, begnadigt und am 18. März 1953 in die Sowjetunion verbracht. Am 25. Juni 1955 kehrte er aus dieser Zivilgefangenschaft nach Wien zurück.[166]

Der freigekommene Mautner warf Marsalek vor, Fotokopien von Protokollen seiner Aussagen von 1950 an die sowjetischen Organe weitergegeben zu haben. Dies habe „entscheidend“ zu seiner Verhaftung und Verschleppung beigetragen. Die Kopien seien ihm bei den Verhören in Baden vorgezeigt worden. Außerdem sei er mit einem Aktenvermerk Marsaleks konfrontiert worden, den dieser angeblich nachträglich angefertigt habe. Darin habe gestanden, dass Mautner das CIC von den russischen Anwerbeversuchen informiert habe. Diese Mitteilung sollte eigentlich nicht ins Protokoll aufgenommen werden. Im Rahmen der Untersuchung lautete die Schlussfolgerung, dass „der dringende Verdacht“ bestehe, „dass Marsalek unter Verletzung seiner Dienstpflichten die Unterlagen über Mautner der sowjetrussischen Besatzungsmacht übergeben und so entscheidend zu dessen Verhaftung und Verschleppung beigetragen hat.“[167]

Es gab noch weitere ähnliche Verdachtsfälle gegen Marsalek. Er hatte als Referatsleiter den Verbleib der Offiziere der Abwehrstelle (AST) Wien bearbeitet, also der in Wien stationierten Agenten des Amts Ausland/Abwehr. Nach 1945 waren dessen Angehörige ebenso wie Veteranen des SS-Geheimdiensts gefragte Informanten bei den westlichen Diensten, was wiederum die sowjetische Spionageabwehr auf den Plan rief. Unter anderem wurden zwei ehemalige Abwehr-Agenten, Felix Tarbuk und Viktor Pan, verhaftet und verschleppt: „In beiden Fällen zeigten sich die Russen in einer Weise informiert, dass angenommen werden muss, sie haben auch in diesen Fällen die Unterlagen der Staatspolizei durch Marsalek bekommen“, heißt es in dem erwähnten Dokument.[168]

Pan scheint in einer Liste von Abwehroffizieren eines belgischen Archivs als Oberleutnant auf.[169] Er war gebürtiger Albaner, Ingenieur für Straßenbau und NSDAP-Mitglied. Pan war in britischer Kriegsgefangenschaft und war ab 19. April 1947 abgängig. Er kehrte am 25. Juni 1955 aus der Sowjetunion heim.[170]

Der zweite Verschleppte, Tabruk, war im 1. Weltkrieg Offizier einer k.u.k.-Eisenbahnkompanie gewesen. 1938 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und dem Amt Ausland/Abwehr zugeteilt. Er diente in Prag, Wien, München und Krakau.[171] Wie aus einem Organigramm hervorgeht, war Tarbuk als Major Referatsleiter in der Abteilung III der AST Wien.[172] Zuletzt war er in Oberitalien stationiert und geriet dort in britische Kriegsgefangenschaft.[173]

Nach der Entlassung und nur einen Tag nach dem Begräbnis seiner Frau wurde er am 7. Jänner 1948 entführt. Und zwar war gegen 20.30 Uhr ein „unbekannter Mann in Zivil“ vor der Wohnung Tarbuks am Schmerlingplatz Nr. 2 erschienen.[174] Der Fremde gab sich als „russischer Dolmetsch“ aus.[175] Er „sprach mit Tarbuk und telefonierte 2-mal von der Wohnung aus“. Bald darauf gingen beide nach draußen. Zu seinem ebenfalls anwesenden Stiefsohn sagt Tarbuk noch, „er fahre 20 Minuten weg, um eine persönliche Angelegenheit zu erledigen, nämlich mit seinem Bruder zu sprechen“.[176]

Heutige Ansicht der Adresse, wo Felix Tarbuk 1948 zuletzt gesehen wurde (Credit: Autor)

Robert Tarbuk war Oberstleutnant der Reserve in der Abwehrstelle des Wehrmachtsbevollmächtigten in Prag gewesen und befand sich seit 1947 in sowjetischer Haft.[177] Zuvor war er in Athen und Bukarest stationiert gewesen. Ab 1944 leitete Robert Tarbuk die damals bereits ins Reichsicherheitshauptamt/Amt VI eingegliederte Abteilung Z Ost, die für Funkfernverbindungen zuständig war und feindliche Kommunikationsnetze in Osteuropa ausspionierte.[178]

Das Versprechen, mit Robert Tarbuk sprechen zu können, war eine Falle. Felix Tarbuk wurde zunächst spurlos verschleppt. Allerdings erfuhr das Bezirkspolizeikommissariat Stadt innerhalb einiger Monate, dass sich Tarbuk zunächst in der „russischen Kommandatur“ befand (falls es sich hier um die Sowjetische Zentralkommandantur im Palais Epstein handelt, dann wurde Tarbuk zwischenzeitlich in unmittelbarer Umgebung von seiner eigenen Wohnung festgehalten). Vertrauliche Erhebungen der Polizei ergaben zudem, „dass Ende Juli 1948 in der Wohnung des Felix Tarbuk ein Zivilist erschienen ist, der scheinbar mit den Originalschlüsseln die Wohnung des Genannten, dann den Schreibtisch öffnete, dem er einen Gegenstand entnahm, worauf er sich wieder entfernte, ohne über den Grund seines Erscheinens oder den Aufenthalt des Felix Tarbuk Auskunft zu geben“.[179]

Die Brüder Tarbuk wurden schließlich von einem sowjetischen Militärgericht zu 25 Jahren Haft in der Sowjetunion verurteilt. Andere österreichische Heimkehrer meldeten sich bei der Familie Tarbuk und gaben an, dass sich die beiden seit 25. Mai 1952 im Werchneuralsk im Westen Russlands befänden.[180] 1955 kehrte Felix Tarbuk nach Wien zurück und wurde Direktor des 1953 gegründeten Österreichischen Holzforschungsinstituts.[181]

Marsalek soll laut dem Schreiben Peterlungers noch „in irgendeiner Form“ bei der Verhaftung und Verschleppung eines gewissen Otto Swoboda mitgewirkt haben. Wie sind diese Erkenntnisse nun zu bewerten? Es gab keine Beweise gegen Marsalek. Er bestritt, „jemals Photokopien von Akten der russischen Besatzungsmacht übergeben zu haben“.[182]

Wie die Angelegenheit weiterging ist unklar. Offenbar erhob die Staatsanwaltschaft keine Anklage und Marsalek war noch bis 1963 im Dienst. Grundsätzlich ist ein solcher Info-Abfluss denkbar. Die genannten Personen waren nachrichtendienstlich tätig gewesen, entweder für das CIC oder für die Abwehr. Von daher gab es auf sowjetischer ein Interesse daran, ihrer habhaft zu werden. Nur der Fall Swoboda bleibt unklar.

Für eine Spionage-Tätigkeit von Hans Marsalek gibt es somit keine Beweise, allenfalls Indizien. Seine Persönlichkeit und sein reicher Erfahrungsschatz werden aber wohl auf den Enkel gewirkt haben, auch wenn das Verhältnis zwischen den beiden zuletzt nicht gut gewesen sein soll. Es ist zumindest vorstellbar, dass das Faible des Enkels für Geheimdienste auf diese Weise mitgeformt wurde. Als Leiter der Gedenkstätte Mauthausen hatte Marsalek viele internationale Kontakte. Das zeigen zahlreiche Sichtvermerke von hochrangigen Besuchern aus dem Ostblock zu den Gedenkfeiern. So nahmen am 24. Mai 1959 bei einer Zeremonie in Mauthausen unter anderem der sowjetische Botschafter, der tschechoslowakische Minister für das Gesundheitswesen sowie ein polnischer Minister teil.[183]

Im Stasi-Unterlagen-Archiv fanden sich keine Hinweise auf eine Verbindung Marsaleks zur DDR-Staatssicherheit. Vorhanden war lediglich Korrespondenz, aus der hervorgeht, dass Marsalek 1976 mit dem Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR in Kontakt war. Es ging um den ehemaligen Kapo Hans-Josef Zaremba, der laut Marsalek „als ein Schläger, ja sogar Todschläger in die Geschichte des KZ Mauthausen eingegangen“ sei.[184] Bei der für Strafverfolgung zuständigen Hauptabteilung IX der Staatssicherheit wurde festgehalten, dass Marsalek Zaremba kenne, aber noch nicht wisse, dass sich dieser als Invalidenrentner in der DDR aufhalte.[185]

Hans Marsalek verstarb 2011. Zu diesem Zeitpunkt war Marsalek 31 Jahre alt und seit einem Jahr COO bei Wirecard.

Zusammenfassung

Wie hier dargestellt, sprechen mehrere Indizien dafür, dass Marsalek möglicherweise schon seit 2014 die Funktion eines informellen Einflussagenten erfüllt hat – bevor er 2020 selbst Agentenführer geworden sein soll. Zunächst einmal war Marsalek ein Netzwerker, dem es gelang, Kontakte in hochsensible Bereiche zu knüpfen. Konkrete Resultate waren Mangelware. Der einzige dokumentierte Informationsabfluss via Marsalek – das OPCW-Dokument – war peinlich für Österreich. Der nachrichtendienstliche Wert aber war aber gering, weil Russland als OPCW-Mitgliedsstaat ohnedies Zugang hatte. Dafür wurde Verwirrung geschaffen und Entscheidungsträger im Nachhinein kompromittiert. Marsalek handelte wohl auch zur Absicherung von Wirecard gegen Shortseller.

Gegen eine damalige Rekrutierung als Quelle oder Agententätigkeit vor 2020 spricht auch, dass Marsalek immer wieder durch unprofessionelle Indiskretionen auffiel. Offenbar hatte er so lange wie möglich versucht, „mehrgleisig“ zu fahren und verschiedene interessierte Seiten zu bedienen, indem er entlang der Nahtstelle des geopolitischen Konflikts zwischen Russland und dem Westen agierte. Für eine abschließende Bewertung des Falls ist es noch zu früh. So medientauglich dieser auch ist. Der Taurus-Leak (2024) oder der 2023 aufgedeckte Verratsfall im BND waren folgenschwerer als Marsaleks bisher bekannte Ränkespiele.

Augenfällig aber ist, dass sein Handeln in erster Linie die Ziele Russlands förderte. Das Vertrauen in das Funktionieren einer westlichen Demokratie wurde im Zuge der BVT-Affäre ebenso geschwächt wie der Sicherheitsapparat selbst. Das „Libyen-Abenteuer“ diente offenbar der Instrumentalisierung der Flüchtlingskrise bzw. dem „Türöffnen“ für russische Söldner in globale Spannungsherde. Unklar dagegen ist, kritische Infrastrukturen durch Marsaleks Anbahnen und Vermitteln Russland-naher Akteure gefährdet worden ist.

Dafür offenbart die bislang nicht beachtete Familiengeschichte Marsaleks eine lang zurückreichende Verstrickung mit nachrichtendienstlichen Belangen. Zumindest gibt es auch in Österreich seit 28. Juni 2020 eine Strafanzeige gegen Marsalek – wegen des Verdachts der Marktmanipulation und des schweren Betrugs. Ermittelt wird außerdem gegen seine BVT-Kontakte. Ein Anklagevorhaben wegen Begünstigung sei anhängig, hieß es im Juli 2023.[186]


Endnoten

[1] Fabian Schmid, Renate Graber, Florian Niederndorfer, Wirecard, BVT und Nervengift: Das mysteriöse Netzwerk des Jan Marsalek in Österreich, in: Der Standard, 29.10.2021.

[2] Frederik Obermaier, Christoph Giesen, Peking, Oliver Das Gupta, Sein Name ist Marsalek, Jan Marsalek, in: Süddeutsche Zeitung, 10,7.2020.

[3] Mauritius Kloft, Ex-Manager packt über Wirecard-Bosse aus, in: t-online.de 19.06.2022, https://www.t-online.de/finanzen/news/unternehmen-verbraucher/id_92328832/wirecard-skandal-ex-kollege-packt-ueber-ceo-braun-aus-markus-war-besessen-.html.

[4] Roman Lehberger, Fidelius Schmid, Flüchtiger Ex-Wirecard-Vorstand soll in russische Spionageoperation verwickelt sein, in: Spiegel Online, 26.9.2023, https://www.spiegel.de/politik/jan-marsalek-fluechtiger-ex-wirecard-vorstand-soll-in-russische-spionageoperation-verwickelt-sein-a-f84b0468-fd53-4599-904e-eb051b826be9.

[5] Arndt Ginzel, Nils Metzger, Christian Rohde, Wollte Marsalek Ziele per Handy ausspähen?, in: zdf.de, 5.3.2024, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/wirecard-jan-marsalek-spionage-russland-ss7-handy-100.html.

[6] Gehörte Marsalek zu russischem Spionagenetzwerk?, in: tagesschau.de, 26.9.2023, https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/marsalek-spionagevorwurf-100.html.

[7] Jörg Diehl, Roman Dobrokhotov, Christo Grozev, Martin Hesse, Roman Höfner, Martin Knobbe, Christoph Giesen, Roman Lehberger, Friederike Röhreke, Fabian Schmid, Fidelius Schmid, Marcel Rosenbach, Thomas Schulz, Sandra Sperber, Finn Starken, Marsaleks zweites Ich, in: Der Spiegel, Nr. 10 (2024), 8-19, Roman Dobrokhotov, Christo Grozev, Michael Weiss, A most wanted man: Fugitive Wirecard COO Jan Marsalek exposed as decade-long GRU spy, in: The Insider, 1.3.2024, https://theins.ru/en/politics/269612.

[8] Mark Hollingsworth, Agents of Influence. How the KGB subverted Western Democracies (London 2023), 37.

[9] Gordon Corera, Russians Amongst Us. Slepper Cells, Ghost Stories and the Hunt for Putin’s Agents, (London 2020), 375f.

[10] Andrei Soldatov, Irina Borogan, The Rebirth of Russian Spycraft, in: Foreign Affairs, 27.12.2023.

[11] Wirecard und die Spione, in: Handelsblatt, 8.10.2022.

[12] Martin Hesse, Fidelius Schmid, Gerald Traufetter, Was Wirecard mit dem BKA zu tun hatte, in: spiegel.de, 14.1.2021, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wirecard-skandal-sonderermittler-des-bundestags-rueffelt-sicherheitsbehoerden-a-8bdf6939-2280-466f-8098-d19b030b6a4a.

[13] Abschlussbericht des Dritten Untersuchungsausschusses (Wirecard), 1493f., https://dserver.bundestag.de/btd/19/309/1930900.pdf.

[14] Ex-BVT-Chef Gridling: ÖVP ließ FPÖ „schalten und walten, wie sie es wollte“, in: Der Standard, 29.8.2023.

[15] Ex-Wirecard-Manager Marsalek als „Geheimnisträger erster Güte“, in: Die Presse, 31.8.2020.

[16] Felix Holtermann, Wie Wirecard Politik und Finanzsystem bloßstellt (Frankfurt am Main 2021), 279.

[17] From Munich to Moscow, in: Dossier Center, 19.7.2022, https://dossier.center/yan-german-en/.

[18] Eduard Steiner, Wie der Ex-Oligarch Firtasch aus seinem Wiener Exil bei Wirecard landete, in: Die Presse, 28.1.2021.

[19] Abschlussbericht, 1483.

[20] Ibid., 2018.

[21] Fritsche: Zeitgleich BVT und Wirecard-Chefs beraten, in: oe24.at, 9.9.2020, https://www.oe24.at/oesterreich/politik/fritsche-zeitgleich-bvt-und-wirecard-chefs-beraten/445531100.

[22] Fabio De Masi, Wirecard-Skandal: Der Schatten des Jan Marsalek (Teil 1), in: Berliner Zeitung, 17.6.2023.

[23] „Ein solches politisches Netzwerk entsteht nicht durch Zufall“, in: Cicero Online, 8.5.2002, https://www.cicero.de/wirtschaft/fabio-de-masi-uber-wirecard-jan-marsalek-geheimdienste-bnd-finanzbetrug.

[24] Causa Marsalek: Die Verbindungen einer Spionagefirma werfen Fragen auf, in: Der Standard, 20.11.2021.

[25] Benjamin Weiser, Wirecard: Münchner Ermittler nehmen Cyberkonzern ins Visier, in: zackzack.at, 9.5.2022, https://zackzack.at/2022/05/09/wirecard-muenchner-ermittler-nehmen-cyberkonzern-ins-visier.

[26] Jan-Philipp Hein, Der Datenkrieger mit dem Kreml-Pass, in: Focus, Nr. 47 (2021), 36-38

[27] Anna Thalhammer, Bundesheer: Tarnen und Täuschen um Spionagesoftware, in: profil, 12.3.2023, 24-28, hier: 27,

[28] Wiener IT-Firma soll schwere Sicherheitslücken an Hacker verkauft haben, in: Der Standard, 28.7.2022.

[29] Wiener Hersteller von Spionagesoftware kündigt Rückzug aus Österreich an, in: Der Standard, 8.5.2023.

[30] Anna Thalhammer, Anwälte mit Software bespitzelt, in: Die Presse, 24.11.2022.

[31] Mickey Manakas, Was es mit der Wiener Spionagefirma DSIRF auf sich hat – und warum sie sich zurückzieht, in: Der Standard, 9.5.2023.

[32] Clara Peterlik, Stefan Melichar, Russland-Connection: Wiener Cyberfirma DSRIF hatte Büro in Moskau, in: profil.at, 5.2.2023, https://www.profil.at/wirtschaft/russland-connection-wiener-cyberfirma-dsirf-hatte-buero-in-moskau/402316271.

[33] Anna Thalhammer, Wiener Spionagesoftwarefirma „Dsirf“ schließt, in: profil.at, 8.5.2023, https://www.profil.at/oesterreich/wiener-spionagesoftwarefirma-dsirf-schliesst/402440550.

[34] Jörn Leogrande, Bad Company. Meine denkwürdige Karriere bei der WIrecard AG (München 2021), 136f.

[35] Thomas Steinmann, Münchner Polizei ermittelte schon 2015 gegen Marsalek, in: capital.de, 16.3.2021, https://www.capital.de/wirtschaft-politik/muenchner-polizei-ermittelte-schon-2015-gegen-marsalek.

[36] Holtermann, Wirecard, 278.

[37] Auf der Jagd nach Dr. No, in: Der Spiegel, Nr. 30 (2020), 8-17, hier 14.

[38] Hans-Martin Tillack, Achtmal Österreich, einmal Usbekistan: Warum besaß Jan Marsalek so viele Reisepässe?, in: stern.de. 18.1.2021, https://www.stern.de/politik/deutschland/ex-wirecard-manager-jan-marsalek-hatte-acht-reisepaesse-aus-oesterreich-30004180.html.

[39] Calder Walton, Spies. The epic intelligence war between East and West (New York 2023), 453.

[40] Bettina Weiguny, Georg Meck, Wirecard. Das Psychogramm eines Jahrhundertskandals (München 2021), 207.

[41] Ibid., 97.

[42] Holtermann, Wirecard, 278.

[43] Abschlussbericht, 1653f.

[44] Benjamin Weiser, Die Libyen-Affäre, in: zackzack.at, 29.11.2022, https://zackzack.at/2022/11/29/die-libyen-affaere.

[45] Anna Thalhammer, Was Marsalek mit Österreichern für Libyen plante, in: Die Presse, 20.8.2020.

[46] Abschlussbericht, 1419.

[47] Ibid. 1420.

[48] Auf der Jagd nach Dr. No, in: Der Spiegel, Nr. 30 (2020), 8-17, hier 14.

[49] Abschlussbericht, 1655.

[50] Ibid., 1420.

[51] Ibid., 1421.

[52] Christoph Efelein, Jan-Philipp Hein, Josef Hufelschulte, Das geheime Netzwerk des Jan. M., in: Focus, Nr. 33 (2002), 28-32.

[53] Ben Taub, The price of belief, in: The New Yorker, 6.3.2022, 40-53, hier 46.

[54] Abschlussbericht, 1654

[55] Marsaleks zweites Ich, 18.

[56] Taub, price, 49.

[57] Stefan Melichar, Michael Nikbakhsh, Liebesgrüße nach Moskau, in: profil, Nr. 11 (2022), 32-36, hier 32.

[58] Abschlussbericht, 1998.

[59] Leogrande, Company, 90.

[60] Abschlussbericht, 1653.

[61] Зачем Ян Марсалек был нужен ГРУ?, https://dossier.center/marsalek/.

[62] Die Vorstadtbande, in: Der Spiegel, Nr. 6/2021, 8-13, hier 13.

[63] Anna Thalhammer, Marsaleks schwarz-blaues Politnetzwerk, in: Die Presse, 1.2.2021.

[64] Arne Meyer-Fünffinger, Josef Streule, Österreichs Geheimdienst und brisante Marsalek-Kontakte, in: br.de, 24.6.2022, https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/wirecard-oesterreichs-geheimdienst-brisante-marsalek-kontakte,T9ajvj3.

[65] Arne Meyer-Fünffinger, Josef Streule, Geheimdienste in Erklärungsnot, tagesschau.de, 24-6.2022, https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/oesterreich-geheimdienste-marsalek-101.html.

[66] Hans-Martin Tillack, Anette Dowideit, Dirk Banse, Wie Marsaleks Nowitschok-Leak Österreichs Ansehen schwer beschädigte, in: Die Welt. 21.5.2022.

[67] Marsaleks Villa Kunterbunt, in: Süddeutsche Zeitung, 4.1.2021.

[68] Taub, price 46.

[69] Jörg Schmitt, Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?, in: Süddeutsche Zeitung, 25.7.2022.

[70] Marsaleks zweites Ich, 11f.

[71] Hans-Martin Tillack, So gut waren die Beziehungen zwischen Jan Marsalek und dem russischen Generalkonsul, in: Die Welt, 19.11.2021.

[72]„Abdeckung an der Botschaft“, in: Format, Nr. 6 (2001), 45.

[73] Vgl. Tweet von Hans-Martin Tillack, 25.4.2023.

[74] Alexander Spöri, Christof Paulus, Das passiert hinter den Türen von Putins Vertretung, in: t-online.de, 1.9.2023, https://www.t-online.de/region/muenchen/id_100182528/muenchen-russlands-generalkonsulat-soll-schliessen-was-steckt-dahinter-.html.

[75] Weiguny, Meck, Wirecard, 319.

[76] Kid Möchel, Dominik Schreiber, Wirecard: Staatsanwalt heftet sich an die Fersen von Jan Marsalek, in: Kurier, 19.4.2022.

[77] Hans-Martin Tillack, Anette Dowideit, Dirk Banse, Wie Marsaleks Nowitschok-Leak Österreichs Ansehen schwer beschädigte, in: Die Welt. 21.5.2022.

[78] Schmid, Graber, Niederndorfer, Wirecard, BVT und Nervengift.

[79] Anna Thalhammer, BVT: IT-Techniker saugte illegal Handydaten ab, in: Die Presse, 26.3.2021.

[80] Josef Streule, Arne Meyer-Fünffinger, Marsalek-Vertrauter wehrt sich gegen Fluchthilfe-Vorwurf, in: br.de, 21.5.2022, https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/wirecard-marsalek-vertrauter-wehrt-sich-gegen-fluchthilfe-vorwurf,T6OCeCO.

[81] Hans Martin Tillack, Anette Dowideit, Dirk Banse, Most Wanted! Wirklich?, in: Die Welt, 22.5.2022.

[82] Anna Thalhammer, Der Maulwurf-Akt: Wen Marsalek von Ex-BVT-Beamten ausspionieren ließ, in: Die Presse, 17.2.2022.

[83] Marsaleks zweites Ich, 17.

[84] Klaus Ott, Jörg Schmitt, Marsalek ließ offenbar nach Spionen suchen, in: Süddeutsche Zeitung, 30.1.2021.

[85] Fabian Schmid, Journalist Grozev über Nawalnys Freilassung: „Ein Deal schien in Griffweite“, in: Der Standard, 4.3.2024.

[86] Marsaleks zweites Ich,  17.

[87] Nils Metzger, Christian Rohde, Ulrich Stoll, Geheimidentität von Jan Marsalek aufgedeckt, in: zdf.de, 1.3.2024, https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/marsalek-wirecard-russland-spion-priester-pass-100.html.

[88] Melanie Bergermann, Volker ter Haseborg, Die Wirecard-Story. Die Geschichte einer Milliarden-Lüge (München 2021), 138.

[89] Ibid., 186.

[90] Ibid., 189.

[91] Rene Bender, Michael Verfürden, Festgenommener mutmaßlicher russischer Spion pflegte Kontakte zu Jan Marsalek, in: Handelsblatt, 16.8.2023.

[92] Арестованный за шпионаж болгарин предоставил Яну Марсалеку оборудование для слежки, in: Dossier Center, 15.82023, https://dossier-center.appspot.com/orlin-jan/.

[93] Luke Harding, Michael Weaver, Three Bulgarians suspected of spying for Russia charged in UK, in: The Guardian. 15.8.2023.

[94] Bojan Pancevski, Max Colchester, He’s Wanted for Wirecard’s Missing $2 Billion. He’s Now Suspected of Being a Russian Spy, in: The Wall Street Journal, 15.12.2023.

[95] Marsaleks zweites Ich, 19.

[96] Holtermann, Wirecard, 92.

[97] Ebenda, 217, René Höltschi, Das „kriminelle Meisterstück“ von Jan Marsalek: wie es zum Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien gekommen ist, in: Neue Züricher Zeitung, 11.3.2021.

[98] Moser verteidigt Hausdurchsuchungen, in: Wiener Zeitung, 14.3.2018.

[99] Thomas Riegler, Österreichs geheime Dienste. Eine neue Geschichte (Wien 2023), 158f.

[100] Ex-Spionagechef des BVT vor Gericht freigesprochen, in: Kurier, 3.3.2022.

[101] Fabian Schmid, Renate Graber, Wirecard-Nachbeben: Weiterer Verfassungschützer festgemommen, in: Der Standard, 24.1.2021.

[102] Stefan Melichar, Michael Nikbakhsh, Geld, Agenten, Politik, in: profil, Nr. 30 (2020), 26-30, hier 29f.

[103] Wirecard-Finanzchef flüsterte FPÖ offenbar geheime BVT-Infos, in: Der Standard, 9.7.2020.

[104] Melichar, Nikbakhsh, Geld, Agenten, Politik, 30.

[105] Christina Traar, Maximilian Miller, Österreichs ehemalige Top-Agenten vor Gericht, in: Kleine Zeitung, 14.4.2023.

[106] Anna Thalhammer, Marsalek und seine Clique der Verdächtigen, in: Die Presse, 21.10.2021.

[107] Melichar, Nikbakhsh, Geld, Agenten, Politik, 30.

[108] Heinz-Christian Strache, Das Ibiza-Attentat. Was wirklich geschah und warum ich weiter für euch kämpfe, (Nordenstedt 2021), 230f.

[109] Dan McCrum, House of Wirecard. Wie ich den größte Wirtschaftsbetrug Deutschlands aufdeckte und einen Dax-Konzern zu Fall brachte (Berlin 2022), 273.

[110] Paul Murphy, Dan McCrum, Helen Warrell, Wirecard executive Jan Marsalek touted Russian nerve gas documents, in: The Financial Times, 9.7.2020.

[111] Huib Modderkolk, Der digitale Weltkrieg den keiner bemerkt (Salzburg 2020), 254f.

[112] Taub, price, 46.

[113] Thalhammer, Marsalek und seine Clique der Verdächtigen.

[114] Anna Thalhammer, Der neue BVT-Skandal, in: Die Presse, 25.3.2021.

[115] Fabian Schmid, Colette M. Schmidt, Abtrünnige Beamte planten unter Türkis-Blau einen Minigeheimdienst im blauen Außenamt, in: Der Standard, 15.2.2022.

[116] Josef Streule, Arne Meyer-Fünffinger, Einblicke in Marsaleks Welt, in: tageschau.de, 21.5.2022, https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/marsalek-flucht-weiss-wehrt-sich-101.html.

[117] Roman Dobrokhotov, Christoph Giesen, Christo Grozev, Roman Lehberger, Fidelius Schmid, Die unglaubliche Flucht des Jan Marsalek nah Russland, in: spiegel.de, 6.3.2024, https://www.spiegel.de/politik/ex-wirecard-manager-die-unglaubliche-flucht-des-jan-marsalek-a-a074ae66-a310-438a-8279-e2f02b92fbc0.

[118] Jan Diesteldorf, Christoph Giesen, Klaus Ott und Jörg Schmitt, Marsalek, der Maulwurf und der Wiener Sumpf, in: Süddeutsche Zeitung, 16.2.2022.

[119] Klaus Ott, Jörg Schmitt, Wo ist Jan Marsalek?, in: Süddeutsche Zeitung, 20.3.2022.

[120] Dobrokhotov, Giesen, Grozev, Lehberger, Schmid, Die unglaubliche Flucht des Jan Marsalek.

[121] Meyer-Fünffinger, Streule Marsalek-Vertrauter wehrt sich gegen Fluchthilfe-Vorwurf.

[122] Hans-Martin Tillack, Heiße Spur nach Moskau, in: Die Welt, 14.6.2021.

[123] Angst der Agenten vor „Kompromat”, in: Der Spiegel, Nr. 16 (2022), 59.

[124] Fabio De Masi, Wirecard-Skandal: Der Schatten des Jan Marsalek (Teil 2), in: Berliner Zeitung, 19.6.2023.

[125] From Munich to Moscow.

[126] Marsaleks zweites Ich, 19.

[127] Spöri, Paulus, Das passiert hinter den Türen von Putins Vertretung.

[128] Fahnder prüfen verdächtige Mietüberweisung, in: spiegel.de, 17.9.2021, https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/jan-marsalek-verdaechtige-mietueberweisung-an-fluechtigen-wirecard-manager-a-cd6cf358-ea07-4c02-acea-8b7644ae6c6a.

[129] Wirecard: Jan Marsalek hat sich bei Gericht gemeldet, in: Der Standard, 18.7.2023.

[130] René Bender, Michael Verfürden, Personenschutz für Wirecard-Kronzeugen nach Hinweis von Geheimdienst, in: Handelsblatt, 1.3.2024.

[131] Pancevski, Colchester, He’s Wanted for Wirecard’s Missing $2 Billion.

[132] Lebenslauf Hans Marsalek auf der Webseite des Mauthausen Komitee Österreich, https://www.mkoe.at/zeitzeuginnen/hans-marsalek.

[133] Hans Hautmann, Kommunisten und Kommunistinnen in der Wiener Polizei, in: Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft, Nr. 2 (2012), 11-25, hier 15.

[134] Gerald Theimer, Die Wiener Staatspolizei in den Jahren 1945-1947, Dissertation, (Wien 1995), 131

[135] Ibid., 144.

[136] Wilhelm Svoboda, Die Partei, die Republik und der Mann mit den vielen Gesichtern (Wien 1993), 61.

[137] Ibid., 61.

[138] Auszug aus der Eidesstattlichen Erklärung zwecks Aufnahme in den KZ-Verband, in: Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik (künftig: ÖStA/AdR), BMI 110.502 – 2/46.

[139] Valentin Strecha, Widerstand für Österreich (Wien 1988), 139.

[140] Theimer, Staatspolizei, 110.

[141] Ulrike Wetz, Geschichte der Wiener Polizeidirektion vom Jahre 1945 bis zum Jahre 1955, Dissertation (Wien 1971), 377.

[142] Winfried Meyer, Klatt. Hitlers jüdischer Meisteragent gegen Stalin: Überlebenskunst in Holocaust und Geheimdienstkrieg (Berlin 2015), 978.

[143] Theimer, Staatspolizei, 78 und 85.

[144] Hautmann, Kommunisten, 13 und 16.

[145] Theimer, Staatspolizei, 91f.

[146] Oskar Helmer, 50 Jahre erlebte Geschichte (Wien 1957), 236.

[147] In einem CIA-Bericht, der unbestätigte Informationen zusammenfasst, heißt es in einem Quellenbericht vom Jänner 1949, Strecha sei ein Polizeioffizier, der verlässliche Kommunisten dafür rekrutiere, für den sowjetischen Geheimdienst zu arbeiten. Beleg dafür gibt es keinen. Miscellaneous Information on Communists in Austria, in: CIA Records Search Tool (künftig: CREST), https://www.cia.gov/readingroom/docs/CIA-RDP82-00457R002700050004-7.pdf

[148] Strecha, Widerstand, 145.

[149] Fuchs, Geheimdienst, 138f.

[150] Svoboda, Partei, 63.

[151] Ebenda, 66ff.

[152] Harald Irnberger, Nelkenstrauß ruft Praterstern. Am Beispiel Österreichs: Funktion und Arbeitsweise geheimer Nachrichtendienste in einem neutralen Staat (Wien 1981), 86.

[153] CIC-Salzburg, Austrian State Police personalities, 18.10.1946, in: National Archives and Records Administration (künftig: NARA), SYMPHONY (PROJECT), Volume 1, NAID: 19074626.

[154] Security Control Division, Austria to Chief, Foreign Branch, 14.4.1947, Ibid.

[155] Unter anderem heißt es darin: “KLATT’s connections with the American Intelligence organizations are widely known”. Appendix D to CIC Report, 7.10.1946, Ibid.

[156] Meyer, Klatt, 978f.

[157] Theimer, Staatspolizei, 110.

[158] Gordon Corera, The Art of Betrayal. Life and Death in the British Secret Service (London 2011), 35.

[159] James V. Milano, Patrick Brogan, Soldiers, Spies and the Rat Line. America’s Undeclared War against the Soviets (Dulles 2000), 173.

[160] Theimer, Staatspolizei, 173.

[161] Anfang 1950 berichtete die CIA, dass Dürmayer und Umscheif für die KPÖ in Tschechoslowakei gereist seien, um dort Vorbereitungen für das Exil von österreichischen Kommunisten zu klären, sollte den sowjetischen Besatzungstruppen abziehen: „Dr. Heinrich Duermayer, the former chief of the Vienna state police, and Max Umschweif, the former section chief of the Vienna state police are now in Prague for this purpose. Dr. Duermayer and Umschweif were characterized as the most dangerous Communist Party members. […] It is known that Dr. Duermayer made several trips by order of the KPOe in 1949. He is charged by the Central Committee with the establishment of connections with the neighboring Communist Parties. He also visited Eastern Germany and contacted the SED.“ Information Report, 8.2.1950, in: CREST, https://www.cia.gov/readingroom/docs/CIA-RDP82-00457R004200700013-8.pdf.

[162] Abteilung I an Staatsanwaltschaft Wien, 24.9.1956, in: ÖStA/AdR, BMI 162.718 – 2/56.

[163] Weitz, Polizeidirektion, 389f.

[164] Hautmann, Kommunisten, 20. Laut Wilhelm Svoboda sollte Marsalek auf Wunsch der sowjetischen Besatzungsmacht 1952 mit der stellvertretenden Leitung des Polizeikommissariats Prater betraut werden. Helmer genehmigte das erst 1953 – mit der Auflage, dass Marsalek drei Polizeibeamte beigestellt wurden, die den Journaldienst versahen. Svoboda, Partei, 140f.

[165] Genannt werden die Quellen: EDUARD (1945), WENZEJEW (1946), PETER (1952), zwei Rekruten 1955, SAK (1974) und NADESCHDIN (1978). Christopher Andrew, Wassili Mitrochin, Das Schwarzbuch des KGB. Moskaus Kampf gegen den Westen (München 1999), 384.

[166] Abteilung I an Staatsanwaltschaft Wien.

[167] Ibid.

[168] Ibid.

[169] Sûreté de l’Etat Allemands recherchés, https://www.cegesoma.be/docs/Invent/AA_1312_ListeAllemandsRecherches.pdf.

[170] Karteikarte Viktor PAN (*28.07.1894), in: ÖStA/AdR, BMI, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, Abteilung 2.

[171] Von Tarbuk, Robert, in: NARA, Record Group 238: National Archives Collection of World War II War Crimes Records, NAID: 57344345, Bl. 4 und 6.

[172] Preliminary Information Report, 19.2.1946, in: CREST, https://www.cia.gov/readingroom/docs/GERMAN%20INTELLIGENCE%20SERVICE%20%28WWII%29%2C%20%20VOL.%203_0009.pdf.

[173] M. S.-Tarbuk an das BMI, April 1948, in: ÖStA/AdR, BMI 32.066 –16/71.

[174] Information, 3.8.1948. Ibid.

[175] Österreichische Papierholz an das BMI, 20.4.1948. Ibid.

[176] Information, 3.8.1948, Ibid.

[177] Karl Tarbuk an Bundesministerium für Inneres, 10.5.1951. Ibid.

[178] Von Tarbuk, Robert, Bl. 12.

[179] Information, 3.8.1948, in: ÖStA/AdR, BMI 162.718 – 2/56.

[180] Karl Tarbuk an Bundesministerium für Inneres, 23.10.1953. Ibid.

[181] Vgl. Wikipedia-Eintrag zu Felix Tarbuk.

[182] Abteilung I an Staatsanwaltschaft Wien, in: ÖStA/AdR, BMI 162.718 – 2/56.

[183] Bericht, Ibid.

[184] Aktenvermerk, in: Bundesarchiv Stasi-Unterlagen-Archiv, MfS – HA IX/11 RHE 43/76 T.1, Bl. 34.

[185] Betr.Hans-Josef Zaremba, 17.5.1976, Ibid.

[186] Post von Marsalek: Der Brief des Ex-Wirecard-Vorstands, in: profil.at, 21.7.2023, https://www.profil.at/investigativ/post-von-marsalek-der-brief-des-ex-wirecard-vorstands/402531559.