Auch wenn es noch zu früh ist, die Ermittlungen gegen drei Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu kommentieren, sind einige bekanntgewordene Details aufschlussreich. Die suspendierten Beamten stammen aus der Abteilung II, Nachrichtendienst und Proliferation – also einer Einheit, die für Ermittlungen in Sachen Weiterverbreitung bzw. Weitergabe von Massenvernichtungswaffen zuständig ist. Es geht um den Verdacht der Veruntreuung von Informanten-Geldern und Datenmissbrauch. Bei den Daten soll es unter anderem um Nordkorea gehen – und hier insbesondere um eine Affäre rund um die Weitergabe von Passdokumenten.
Die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) hat in Österreich eine starke geheimdienstliche Präsenz aufgebaut. Es gibt mindestens sieben Organisationen mit nachrichtendienstlichen Aufträgen in Nordkorea, von denen drei dem Staatsapparat (Ministerium für Staatssicherheit, Ministerium für öffentliche Sicherheit und Militärischer Nachrichten- und Sicherheitsdienst) und vier der Koreanischen Arbeiterpartei zuzuordnen sind.
Die Geheimdienste sind nicht nur eine wesentliche Säule des Regimes – sie erfüllen eine Schlüsselrolle beim Vorantreiben der nuklearen Aufrüstung. Das mit Sanktionen belegte Nordkorea ist dabei auf „Know-How“ und „Dual-Use-Güter“ aus westlichen Industrieländern angewiesen und setzt zu deren Beschaffung die Nachrichtendienste ein. Weil sie die benötigten Güter nicht legal erwerben können, richten sie verdeckte Netzwerke und Tarnfirmen in Südostasien, China, Russland und Osteuropa ein. Umweglieferungen zur Verschleierung des tatsächlichen Endabnehmers gehören ebenfalls dazu.
In diesem Zusammenhang kommt auch Österreich ins Spiel. Schon 2002 kam das BVT im Jahresbericht zum Schluss, dass das Land allgemein als „Beschaffungs- und Transitland für Proliferationsaktivitäten“ genutzt wird. Ansässige Firmen seien „nur in geringem Ausmaß vorsätzlich“ darin involviert gewesen. Beispielweise wurde 2004 eine Lieferung von Heiß-und Hochdruckpressen nach Nordkorea verhindert.
Ein weiteres Mittel, um die sanktionierten Im- und Exporte zu umgehen und Devisen ins Land zu holen, ist das mysteriöse „Büro 39“. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine geheime Einrichtung des Zentralkomitees, die Schattenwirtschaftsaktivitäten abwickelt. Eine der Hauptfunktionen ist es, Devisen in Luxusgüter für die Führungsriege zu investieren.
In Österreich soll das „Büro 39“ eng mit einer Einrichtung verbunden gewesen sein, die symbolhaft für die nordkoreanische Präsenz hierzulande steht: In der Wiener Kaiserstraße Nr. 12 bestand zwischen 1982 und 2004 die Golden Star Bank – als einzige Bank des kommunistischen Regimes in der westlichen Hemisphäre. Es handelte sich um eine Tochtergesellschaft der staatlichen Korea Daesong Bank. Das Bundesministerium für Finanzen hatte keine vollständige Konzession erteilt. Es durften nur Konten von nordkoreanischen Personen und Firmen geführt sowie Geldwechselgeschäfte abgewickelt werden.

Die Golden Star Bank hatte sets einen zweifelhaften Ruf. 2001 hielt der BVT-Jahresbericht fest, dass die Filiale als „Tarnung für nachrichtendienstliche Aktivitäten“ genutzt wurde. Im Jahr darauf hieß es, die Bank werde „immer wieder mit Geldwäsche und Finanzierung von Proliferationsgeschäften in Zusammenhang gebracht“. Auch nach Druck der USA erfolgte 2004 die Schließung.
Laut einem „Cabel“ des US-Außenministeriums von 2007, das von Wikileaks veröffentlicht wurde, befand sich die Golden Star Bank so wie die Korea Daesong Bank unter der Kontrolle des „Büro 39“. Die Schließung bedeutete freilich nicht das Ende für dessen Geschäfte hierzulande.
Noch heute soll Österreich laut einem Nordkorea-Experten neben Deutschland der „Schlüsselmarkt“ für einen Großteil der importierten Luxuswaren sein. 2009 stand ein Wiener Geschäftsmann vor Gericht: Er soll als „Strohmann“ zwei Superyachten im Wert von rund 13 Millionen Euro sowie mehrere Mercedes in der toskanischen Stadt Viareggio bestellt haben. Das Geschäft wurde von den italienischen Behörden gestoppt. Was den eigentlichen Empfänger anging, so wies die Verdachtslage nach Nordkorea.
Abgesehen davon befinden sich in Österreich zahlreiche Firmen und offizielle Vertretungen Nordkoreas (die Botschaft sowie bei der UNO im Rahmen von IAEA und UNIDO). Einige der dort akkreditierten bzw. stationierten Personen „stehen im Verdacht, Angehörige nordkoreanischer Nachrichtendienste zu sein“, so der BVT-Jahresbericht von 2002:
„Es handelte sich hauptsächlich um Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, der Abteilung Soziokulturelle Angelegenheiten und des Militärischen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes. Die im Bundesgebiet gegründeten Vereine für nordkoreanische Kampfsportarten stehen im Verdacht, als Tarnung für nachrichtendienstliche Aktivitäten genutzt zu werden.“

Das wiederum erregt auch das Interesse anderer Nachrichten- und Geheimdienste: So sollen bei Konferenzen der IAEA in Wien mehr Agenten als Wissenschaftler anwesend sein. Wie der Ex-CIA-Agent Gene Coyle meint, geht es darum, Kontakte zu Wissenschaftlern aus Nordkorea und dem Iran zu knüpfen und diese zum „Absprung“ zu bewegen.
Als 2015 bei der österreichischen Staatsdruckerei 200.000 biometrische Reisepässe für Nordkorea bestellt wurden, gelangten im Jahr darauf Muster ins verfeindete Südkorea. Die dortigen Sicherheitsbehörden hatten über die Vermittlung der Botschaft in Wien ersucht, Musterexemplare zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das BVT habe daraufhin 30 Pass-Muster besorgt, von denen drei Stück übergeben wurden.
Brisant ist das deswegen, weil wie der Kurier berichtete, immer wieder nordkoreanische Kader mit falscher Idenität nach Österreich kamen:
„Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Südkorea, war es für westliche Dienste und Südkorea überaus wichtig, die Echtheit und Beschaffenheit der neuen nordkoreanischen Pässe prüfen zu können.“
Die aktuelle Causa dürfte teilweise mit dieser umstrittenen Weitergabe zusammenhängen – auch weil BVT-Angehörige danach angeblich in Südkorea privat geurlaubt haben sollen. Dieser Vorwurf wurde bereits in einem 39 Seiten langen Konvolut erhoben, das vor einigen Monaten ausgewählten Medien anonym zugestellt wurde. Viele der darin festgehaltenen Anschuldigungen gegen teils hochrangige BVT-Beamte konnten nicht verifiziert werden. Es bleibt abzuwarten, ob die aktuellen Untersuchungen mehr erbringen.